Therapie braucht gute Ausbildung

Psychotherapeuten in Ausbeutung

VON SEBASTIAN PUSCHNER

Wer immer noch nicht an die wachsende Bedeutung psychischer Erkrankungen glaubt, der lese diese Zahl: 54,2 Prozent aller Berliner, die 2011 krankheitsbedingt in Frührente gingen, taten dies wegen Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Krankheiten, so steht es im Landesgesundheitsbericht. Es ist nur eine Zahl von vielen, die belegt, wie wichtig es für psychisch kranke Menschen ist, dass es ausreichend viele und gut ausgebildete Therapeuten gibt.

Doch wer heute Therapeut werden will, der braucht erst einmal Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen. Auszubildende sollen in Kliniken vollwertige Arbeit verrichten; sie therapieren Kranke, werden dafür aber nicht angemessen bezahlt und kaum angeleitet.

Fatale Zustände

Dies ist nicht nur für angehende Therapeuten ein unhaltbarer Zustand. Viele von ihnen mahnen, dass es auch für die Patienten fatal sein kann, auf überforderte, allein gelassene Nachwuchskräfte zu treffen. Wer zu Beginn einer Erkrankung schlechte Erfahrungen mit Therapie macht, der hat es sehr viel schwerer, sich darauf einzulassen. Nachhaltiger Erfolg therapeutischer Maßnahmen und eine Linderung der Krankheit rücken da oft in weite Ferne.

Deshalb müssen alle, die Verantwortung für die Ausbildung von Therapeuten tragen, dieser endlich gerecht werden: etwa die Institute, denen die Auszubildenden viel Geld zahlen müssen, während sie deren Protest gegen die prekären Bedingungen meist ignorieren. Und das Land Berlin, in dessen eigenen Charité- und Vivantes-Kliniken ebendiese prekären Bedingungen gang und gäbe sind.

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