schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Abstrakt zu malen bedeutet immer wieder auch, die Leichen aus dem Keller der Kunstgeschichte hervorzuholen. Zu präsent sind die Heroen der Nachkriegsavantgarde, als dass auch junge Künstler sie nicht kennen könnten. Zu minimal ihre Gesten, als dass man sie neu erfinden könnte. So schlägt sich auch Nathan Hylden mit den Phantomen der Vergangenheit herum. Er malt abstrakt auf Aluminiumplatten. Das haben schon Blinky Palermo und Imi Knoebel praktiziert, aber auch der Pop Art galt das Material mit der matt glänzenden Oberfläche als idealer Leinwandersatz. Flotte Pinselschwünge und grobkörnige Siebdruckmuster hinterließ auch schon Robert Rauschenberg auf seinen Bildern. Doch der in Los Angeles lebende Hylden schert sich nicht um Ähnlichkeiten oder prominente Vorbilder. Vielmehr bedient er sich frei am kompletten Gestaltungsprogramm der Abstraktion. In die Arbeiten seiner dritten Ausstellung „Meanwhile“ in der Galerie Johann König hat sich nun aber plötzlich etwas Narratives, Figuratives geschlichen. Über die in Serie gehängten, großformatigen Gemälde huschen Schatten. Schatten, die die Sonne auf die Wand von Hyldens Ateliers gezeichnet hat. Wie dort wandern die Konturen eines Barhockers und eines Ventilators nun über die Bilder an der Galeriewand. Doch wie real sind Schatten? Und wie gegenständlich sind malerische Schatten von Schatten an der Wand? Spätestens seit Platons vielzitiertem Höhlengleichnis wissen wir, dass Wahrheit und Wahrnehmung selten deckungsgleich sind. In der Malerei schon gar nicht – sei sie nun abstrakt oder nicht. (Bis 13. April, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Dessauer Str. 6–7) Viel näher an tatsächliche Wirklichkeiten versucht der 1980 im transsilvanischen Târgu geborene Christi Pogcean zu kommen. An nationale Wirklichkeiten etwa mit einem goldenen Freundschaftsanhänger, bei dem man keine Herzhälften voneinander trennen kann, sondern Rumänien und Moldawien. Seinen Galeristen Mihai Pop von Plan B konfrontierte er selbstbewusst mit der Wirklichkeit eines professionellen Arbeitsverhältnisses zwischen Produzent und Händler. Von ihm verlangte Pogcean, auf den höchsten Berg Rumäniens zu steigen und auf dem Gipfel eine Fahne mit des Künstlers Konterfei zu installieren, als symbolische Verpflichtung, ihn auch an die Spitze des Kunstmarkts zu bringen. Die Wirklichkeit des Glaubens hinterfragt er mit einer animierten Videokopie von Caravaggios berühmtem Gemälde von der Untersuchung der Wunde im Leib Christi durch den ungläubigen Thomas. Alles ist hochgradig aufgeladen in Pogceans multimedialem Werk: mit Politik und Moral, aber auch schwarzem Humor. (Bis 8. April, Di.–Sa., 12–18 Uhr, Potsdamer Str. 77–87)