KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Schon bevor Keiichi Tanaami in Kalifornien das LSD entdeckte, war seine Kunst ein bewusstseinserweiterter Mix aus Träumen und Erinnerungen, Kindheitsspaß und Fantasterei. Mit japanischem Pop und Neo-Dada im visuellen Gepäck kam er 1967 nach New York City und steuerte zielsicher Andy Warhols Factory an, fasziniert von der Siebdruckwerkstatt, aber auch von der Konsumextase seines Künstlerkollegen. Weitergereist nach San Francisco hing er dann in der Psychedelic-Rock-Szene mit Bands wie Jefferson Airplane ab, für die er Poster und Plattenhüllen entwarf. Zurück in Tokio wurde er 1975 dank seines Faibles für plakativ-erotische Illustrationen der erste Art Director der japanischen Ausgabe des Playboy. Ein Lungenleiden hätte ihn zu Beginn der Achtzigerjahre beinahe umgebracht, bereicherte sein Werk aber auch um die nachhaltig halluzinative Ikonografie von Angst und Schrecken. Der Schinkel Pavillon – Kunstverein für zeitgenössische Skulptur präsentiert Tanaami mit der von Fredi Fischli und Niels Olsen kuratierten Ausstellung „No More War“ nun als originären Pop-Art-Künstler, der Nachfolger wie Takashi Murakami ganz schön blass aussehen lässt. Tanaamis lackierte Holzskulpturen verweben auf komplexe Art traditionelles Kunsthandwerk und die Massenproduktion von Plastikspielzeug. Historische Formen treffen unvermittelt auf die Manga-Ästhetik von Actionfiguren. Die Videos erzeugen dagegen noch immer den nostalgischen Sog, den auch Tanaami verspürt haben muss, als er das erste Mal „Somebody to Love“ auf Acid hörte (bis 3. März, Do.–Sa. 12–18 Uhr, Oberwallstr. 1). Aus der Gruppenausstellung „Thought“ mit Richard Deacon, Idris Khan, Paco Knöller, Jonathan Lasker, Allan McCollum und Michael Müller in der Galerie Thomas Schulte sticht der Schweizer Künstler Albrecht Schnider besonders heraus. Seine Zeichnungen manifestieren die Schwelle zwischen dem Zeichnen als technischem Konstruktionsmittel und der Zeichnung als malerisches Grundmodell. Bleistiftspuren, Zirkelschwünge und Hilfslinien bilden den Hintergrund der Blätter. Im Vordergrund erscheinen auf der Basis dieser rationell anmutenden Kompositionen klar konturierte Formen, die an gesichtslose Porträts erinnern oder geometrische Strukturen formulieren. Auf einer Serie von Zeichnungen entwirft Schnider abstrakte Zeichen. Es könnten typografische Studien sein, aber auch typologische Ornamente. Was ist Experiment, was Kalkül? Die kühle Präzision seiner Gemälde – Landschaften, Porträts, Minimales – scheint in Schniders Zeichnungen schon auf. Was sie aber so interessant macht, ist die unverhohlene Suche nach der Form. (Bis 9. März, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Charlottenstr. 24).