Erleuchtung mit Funkelzauber

Lichtkunst Zum fünften Mal spendiert ein Unternehmer dem kleinen Ort Bad Rothenfelde am Teutoburger Wald die Projektions-Biennale „Lichtsicht“ – auf einer einen Kilometer langen Leinwand: dem längsten historischen Gradierwerk Europas

Irgendjemand muss ja mal anfangen aufzuräumen. Ins Unendliche strebt die digitale Speicherkapazität, provoziert eine Explosion des Quatschens und Berge von virtuellem Datenmüll. Der diplomierte Medienkünstler Holger Förterer greift deshalb nun zum Datenbesen: ein Computerprogramm hat er geschrieben, das per QR-Code dazu einlädt, das eine und andere Selfie ein letztes Mal auf einer Leinwand zu betrachten. Dort wird es dank eines Simulationstricks verbrannt – und gleichzeitig auch auf dem Handy gelöscht. „Ich möchte damit die Lust am digitalen Vergessen und am persönlichen Erinnern anregen“, erklärt Förterer seine „Feuerwall“ betitelte Arbeit.

Eingeladen wurde sie von Kurator Peter Weibel, Direktor des renommierten Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie, ins beschauliche 7.500-Seelen-Dorf Bad Rothenfelde, südlich des Teutoburger Waldes, zur fünften Ausgabe der Projektions-Biennale „Lichtsicht“. Die Präsentation der zehn zwischen Foto, Film, Video und digitaler Malerei angesiedelten Werke ist ein wohl weltweit einmaliges Spektakel. Denn einen Kilometer lang und über elf Meter hoch sind die Haupt-Projektionsflächen: die längsten historischen Gradierwerke Westeuropas.

Seit Schließung des Rothenfelder Salzwerks 1969 werden sie als Freiluft-Inhalatorien im Solekurpark genutzt. Und nun eben auch als Leinwand. Sie besteht aus geflochtenen Schwarzdornzweigen, an denen aus drei Kilometern Tiefe heraufgepumptes Salzwasser beständig herabrieselt, damit es auskristallisiert. Das dunkle, feuchte Gestrüpp reflektiert das Licht durch Kalk-, Gips- und Eisenverkrustungen im abendlichen Salznebelschleier mit irisierendem Funkelzauber. Sozusagen ein Tanz der verpixelten Bilder im Feinstaubdesign.

54 Beamer sollen täglich ab Einbruch der Dunkelheit ein 90-minütiges Programm bieten. Geistige Klammer sei das Thema Porträt, erklärt Sprecherin Sabine Weichel. Theaterästhetizist Robert Wilson wird eine Werkschau seiner 60 atemlos langsam gedrehten Videopor­träts „Celebrities and Royals“ zeigen. So kommen Brad Pitt, Lady Gaga und Caroline von Monaco nach Bad Rothenfelde. Die Stuttgarter Künstlerin Rosalie porträtiert Tiere in Bewegung, indem sie Röntgenaufnahmen von Hunden, Fröschen, Chamäleons animiert.

Auch andere Oberflächen als die mächtigen Salinen-Wälle werden als Bildträger genutzt. So projiziert der israelische Filmemacher Eyal Gever eine Tanzperformance auf Wasserfontänen. Und die Lichtskulptur „Lasact“ ermöglicht den Besuchern, Laser-Projektion und ihren Soundtrack per Smartphone künstlerisch selbst zu gestalten.

160.000 Besucher werden vom Freitag bis Anfang Fe­bruar 2016 erwartet. Finanziert wird das Open-Air-Festival vom Unternehmer Heinrich W. Risken – immerhin auf Platz 258 der reichsten Deutschen mit einem geschätzten Vermögen von 450 Millionen Euro. Als er 2004 den Firmensitz seiner in der Nahrungsmittelindustrie für Mensch und Tier tätigen Unternehmensgruppe Heristo AG nach Bad Rothenfelde verlegte, „erschien es ihm hier doch recht dunkel“, so Weichel – daher lasse er nun die Ortsmitte regelmäßig von international renommierten Künstlern illuminieren.

Jens Fischer

Fr, 18. 9., bis So, 7. 2. 2016, Bad Rothenfelde, Historisches Gradierwerk, Projektionen ab Einbruch der Dunkelheit, Eintritt frei

Internet: lichtsicht-biennale.de