Keine Mehrheit für den Sieger

PORTUGAL Das Wahlergebnis bringt die konservative Sparregierung in Bedrängnis. Ministerpräsident Passos Coelho will Regierung bilden. Der Block der Linken legt zu

Konservative am Wahlabend in Lissabon Foto: Miguel A. Lopes/dpa

Von Reiner Wandler

MADRID taz | Der konservative Ministerpräsident Pedro Passos Coelho musste bei der Wahl in Portugal am vergangenen Sonntag eine schwere Schlappe einstecken. Zwar ist sein Bündnis Portugal voran (PaF) mit 36,8 Prozent stärkste Kraft im neuen Parlament, doch mit 99 Abgeordneten ist das Bündnis aus Pessos Coelhos konservativer Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der rechten CDS weit von der absoluten Mehrheit von 116 Sitzen entfernt. 2011, als beide Parteien getrennt antraten, erhielten sie zusammen knapp über 50 Prozent der Stimmen und 132 Sitze. Die PSD alleine erzielte damals mehr Stimmen und mehr Sitze als jetzt das Bündnis PaF.

Nur dank der gemeinsamen Liste der beiden bisherigen Koalitionspartner PSD und CDS konnte Passos Coelho – der für die rigide Sparpolitik der letzten Jahre verantwortlich zeichnet – jetzt verhindern, auf Platz 2 abgedrängt zu werden. Den hat die Sozialistische Partei (PS) des Exbürgermeisters von Lissabon, António Costa, mit 32,4 Prozent, inne – knapp fünf Punkte mehr als noch vor vier Jahren.

Eigentlicher Sieger ist der Block der Linken (BE). Die linke Sammelbewegung konnte mit 10,2 Prozent ihr Ergebnis knapp verdoppeln. Erstmals überholte der BE das Wahlbündnis CDU aus orthodoxen Kommunisten und Grünen, das sich mit 8,2 Prozent und Platz vier zufrieden geben muss. Ministerpräsident Passos Coelho sieht sich einem Parlament gegenüber, das mit über 60 Prozent von der bisherigen Opposition bestimmt wird.

Im Wahlkampf hatte Passos Coelho sich ganz als Musterschüler der Troika präsentiert. Entweder er regiere weiter, oder Portugal würde im Chaos versinken, war das Hauptargument seiner Kampagne. Er versuchte die Sparpolitik, die er als Gegenleistung für ein 78 Milliarden Euro Rettungspaket durchführte, als Erfolg zu verkaufen.

Passos Coelho sprach viel von makroökonomischen Erfolgen. So soll die Wirtschaft Portugals, das 2014 den Rettungsschirm verließ, 2015 erstmals seit drei Jahren wieder wachsen. Das Haushaltsdefizit soll laut Prognosen auf drei Prozent sinken. In einer zweiten Legislatur will Passos Coelho nun die Staatsverschuldung von rund 130 Prozent in den Griff bekommen.

Die Auswirkungen der Austerität sind verheerend. Die Arbeitslosigkeit stieg bis auf 18 Prozent, knapp 600.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, die Löhne sanken um rund 20 Prozent, die Steuern stiegen. Laut Gewerkschaften verdient jeder fünfte Erwerbstätige nur noch den Mindestlohn von 505 Euro. 27 Prozent leben an oder unter der Armutsgrenze.

Zwar liegt die Arbeitslosigkeit mittlerweile unter 13 Prozent. Doch dies geht nicht zuletzt darauf zurück, dass jährlich ein Prozent der Erwerbstätigen auswandert. Es sind meist junge Menschen. „Portugal verliert eine ganze Generation“, beklagten die Oppositionsparteien im Wahlkampf.

Nun stellt sich die Frage nach einer stabilen Regierung

Dass die Sozialistische Partei (PS) davon nicht wirklich profitierte, liegt an ihrer unentschlossenen Haltung. Spitzenkandidat Costa stellte sich nicht gegen die Auflagen aus Brüssel, er will sie nur behutsamer umsetzen. Dies brachte vor allem Stimmen für den Block der Linken (BE). Es gebe nur die Wahl zwischen „Austerität“ und „gemäßigter Austerität“, hieß einer der Wahlkampfslogans. Außerdem macht den Sozialisten die Korruption zu schaffen. Der letzte sozialistische Ministerpräsident José Sócrates soll sich im Amt bereichert haben. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft sitzt er derzeit im Hausarrest, bis sein Prozess beginnt.

Nun stellt sich die Frage nach einer stabilen Regierung. Eine Linksregierung der PS mit Unterstützung des BE und der CDU ist kaum zu erwarten. Zu unterschiedlich sind dazu die Positionen der drei Parteien bezüglich der Austerität. Und Sieger Passos Coelho braucht zumindest punktuell die Unterstützung der Sozialisten, will er einer Blockade seiner Politik durch das Parlament entgehen. Costa scheint dem nicht völlig abgeneigt. Er werde das Land nicht unregierbar machen, versprach der PS-Chef noch am Wahl­abend.

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