Die Kanzlerin
und ihre CDU

Merkel bleibt auf Kurs und lehnt Grenzsperren ab. In Sachsen inszenieren Rechte die Proteste

Merkel warnt vor Balkankrieg

Parteitreffen Die deutschen Grenze darf auch deshalb nicht geschlossen werden, damit der Balkan friedlich bleibt, argumentiert die Bundeskanzlerin vor CDU-Mitgliedern

Lichtgestalt: Angela Merkel bei ihrer Rede vor CDU-Mitgliedern in Darmstadt Foto: Boris Roessler/dpa

Aus Darmstadt Alina Leimbach

Die Bundeskanzlerin will ihre Basis in Sachen Flüchtlingspolitik hinter sich wissen. Auf der vierten und letzten Regionalkonferenz der CDU hat sich Angela Merkel am Montagabend in Darmstadt rund 1.800 CDU-Mitglieder aus dem Südwesten gestellt. Eine Schließung der Grenze zu Österreich lehnte sie entschieden ab. Stattdessen setzt sie auf stärkere EU-Außenkontrollen.

„Die Grenze nach Österreich dicht zu machen, verlagert das Problem nur und wird einen Dominoeffekt nach sich ziehen“, warnte Merkel: „Auf dem Balkan hat die Grenzschließung bereits jetzt zu Verwerfungen geführt.“ Es sei bereits zu Anfragen nach Konferenzen für die Länder entlang der West-Balkan-Route gekommen. Nach kurzem Stocken setzt sie hinzu: „Ich will nicht, dass da militärische Lösungen notwendig werden.“ Es gehe schneller, als man denkt, dass aus Streit Handgreiflichkeiten werden, und aus Handgreiflichkeiten „Dinge geschehen, die alle nicht wollen“, sagte Merkel.

Die Warnung vor einem möglichen Krieg wegen der Flüchtlingsthematik fiel in einem Nebensatz. Merkel sagte ihn in einer Fragerunde, nicht in ihrer eigentlichen Rede. Der Satz ging unter. Kein Raunen im Saal. Stattdessen Applaus für die Kanzlerin.

Es war eine Arbeitsrede, die sie vor ihrer Partei-Basis in Darmstadt hielt – nüchtern, an Verstand und an christliche Werte appellierend. Sie sagte auch Dinge wie: „Recht lange haben wir wegen des Dublin-Systems ein recht ruhiges Leben hier gehabt.“ Deutschland als großes und starkes Land müsse sich aber nun der Verantwortung stellen. Schnelle Lösungen gebe es nicht, sagte Merkel. „Das geht nur Schritt für Schritt, und daran arbeite ich zurzeit.“ Der Applaus blieb da eher zurückhaltend.

Die Koalition will ihren Streit über die Flüchtlingspolitik beilegen. Nach dem gescheiterten Gipfel von Sonntag zeigten sich Spitzen von CDU, CSU und SPD am Dienstag zur Einigung bereit. Merkel sprach von einer „nationalen großen Aufgabe“. SPD-Fraktionschef Thomas ­Oppermann sagte: „Ich bin sicher, dass wir am Donnerstag ein Ergebnis finden.“ Am Donnerstag will sich die Koalition erneut treffen. Die Union verlangt Transitzonen, wo Flüchtlinge ohne Aussichten auf Asyl schnell abgefertigt werden können. Die SPD setzt dagegen auf „Ein­reisezentren“ zur Registrierung. SEITE 14

Doch Merkel bekam auch Standing Ovations. Nur eine Handvoll Zuhörer hielt es in den Sitzen. Der Ton der Nachfragen in der anschließenden Fragerunde fiel weniger scharf aus als im sächsischen Schkeuditz. Es gab Lob: „Sie leisten gute Arbeit“, aber auch harte Kritik wurde geübt: „Mit dem Kurs werden wir die Landtagswahl krachend verlieren“, warnte ein Mann aus Baden-Württemberg. Eine Frau aus Rheinland-Pfalz, die in der Verwaltung arbeitet, sagte: „Wir sind total überlastet. Das kann so nicht weitergehen.“ Ein Mann forderte Flüchtlingszonen in den Heimatländern selbst

Bei ihren Lösungsangeboten blieb Merkel bei Bekanntem: Die Verteilung der 160.000 Flüchtlinge innerhalb der EU sei „möglicherweise“ ein erster Schritt. Die Transitzonen seien ein weiterer Schritt. Ein Abkommen mit der Türkei, damit dort die EU-Außengrenze auf dem Landweg besser gesichert werden, sei notwendig, sagte Merkel.

„Ich war vorher nicht so überzeugt, aber jetzt, wo ich Angela Merkel sprechen gehört habe, bin ich von ihr überzeugt. Sie hat einen Plan.“ So oder so ­ähnlich hörte man es nach der Rede. „Es sind zu viele, wir ­schaffen das so nicht“, wird aber auch hier und da geraunt. Nur wenn die Reporter vorbeikommen, verstummen diese Stimmen.