Armes, reiches Hamburg

Bilanz Hamburg macht keine Schulden mehr, ist aber völlig überschuldet. Trotz hoher Steuereinnahmen droht die HSH Nordbank, große Löcher in den Haushalt zu reißen

Schlägt als größter Einzelposten zu Buche: Sanierung der HSH Nordbank  Foto: Bodo Marks/dpa

von Marco Carini

Am Dienstag wusste Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) gleich zwei entgegengesetzte Botschaften zu verkünden. Die eine lautet: Der Stadt geht es finanziell schlecht, sie ist stärker überschuldet als angenommen. Die andere heißt: Um Hamburgs Finanzen ist es gut bestellt, die Schuldenbremse wird faktisch schon eingehalten.

Dass so Gegensätzliches zueinander passt, liegt an der doppelten Buchführung, die die Stadt seit zwei Jahren betreibt. Gut sieht der herkömmliche „kameralistische“ Ansatz aus, der die Einnahmen und Ausgaben im laufenden Jahr gegeneinander rechnet.

Da die November-Steuerschätzung eine nochmalige Erhöhung der bislang prognostizierten Steuereinnahmen prophezeit, wird Hamburg trotz erhöhter Ausgaben für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen laut Tschentscher erneut „zumindest mit einer schwarzen Null“ abschließen.

Hamburg wird danach zum zweiten Mal nacheinander keine neuen Kredite aufnehmen müssen, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren, sondern kann in kleinem Maße sogar Schulden abbauen. Weil die Steuereinnahmen schon heute etwa da liegen, wo der Senat sie für 2018 prognostiziert hat, beschloss das Kabinett in der vergangenen Woche, das Finanzrahmengesetz so zu ändern, das ab 2016 mehr Geld ausgegeben werden darf als bislang erlaubt: Der Finanzrahmen soll damit der Realität angepasst, jährliche Mehrausgaben zwischen 380 und 540 Millionen erlaubt sein.

Laut November-Steuerschätzung kann Hamburg 2015 erstmals mit Steuereinnahmen von über 10 Mrd. Euro rechnen. Veranschlagt waren 9,6 Mrd.

Hamburg ist mit 22,3 Mrd. Euro überschuldet, Bremen immerhin mit 17,8 Mrd. und Hessen gar mit gut 90 Mrd.

Hamburgs Finanzkraft führt dazu, dass die Stadt statt derzeit rund 30 Millionen jährlich demnächst wohl 60 bis 75 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich einzahlen muss.

Es gäbe aber „keinen Automatismus, dieses Geld auszugeben“, betont Tschentscher, das als Reserve für weiter steigende Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen bereitliegt.

Fatal sieht hingegen die „Konzernbilanz“ der Stadt und ihrer Unternehmen aus, die Werte wie Gebäude und Straßen gegen die Schulden und Risiken der Stadt rechnet. Hier hat sich wegen diverser Neuveranschlagungen die Überschuldung binnen einen Jahres auf dem Papier mehr als verdoppelt: Von zehn auf 22 Milliarden Euro. Als größter Einzelposten schlagen hier Rückstellungen für die Sanierung der HSH Nordbank in Höhe von fast 4,5 Milliarden Euro zu Buche, die in der Bilanz des vorigen Jahres noch nicht auftauchten. Da diese Gelder, für die Hamburg birgt, in absehbarer Zeit laut Tschentscher „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ tatsächlich fließen müssen, sind sie nun in der Bilanz berücksichtigt. Woher der Senat dieses Geld, das fast die Hälfte des städtischen Gesamthaushalts ausmacht, nehmen will, verriet Tschentscher nicht.

„Alle Sparbemühungen der vergangenen Jahre werden durch die zu tragenden Verluste für die HSH Nordbank zunichte gemacht“, klagt deshalb der finanzpolitische Sprecher der Linken, Norbert Hackbusch, über Tschentschers Doppelbotschaft. Die fraktionslose Abgeordnete Dora Heyenn fordert hingegen wegen sprudelnder Steuereinnahmen, das ausgabenbegrenzende Haushaltsrahmengesetz nicht nur zu lockern, sondern gleich ganz „außer Kraft zu setzen“.