Provokation ja, aber bitte mit Respekt

Juan Zero Der syrische Karikaturist wurde als "Che" bekannt. Nun lebt er im türkischen Exil. Er vermisst die interkulturelle Kommunikation

Karikatur: Juan Zero

Juan Zero stammt aus Damaskus. Kritisch verfolgt er die Geschehnisse in seiner syrischen Heimat, aber auch die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft und die Rolle der sogenannten Aufnahmeländer, in die seine Landsleute geflüchtet sind.

Juan Zeros Karikaturen treffen, fordern heraus – und sind oft unangenehm. Der Künstler möchte sich dabei keiner politischen, ethnischen oder reli­giö­sen Strömung zuordnen. Vielmehr orientiere er sich an der humanitären Seite, wie er betont.

So lange wie möglich blieb er in seiner Heimat

Unter dem Pseudonym „Che“ versuchte Zero auch nach Beginn der syrischen Revolution 2011 so lange wie möglich in seinem Land zu arbeiten. Als die Regierung den Stil seiner Karikaturen wiedererkannte, verließ der Künstler Syrien. Sicherheit fand er in Chicago. Dort hielt es ihn allerdings nur drei Monate – durch die geografische Distanz fühlte er sich vom Konflikt entfremdet, er konnte nicht mehr zeichnen.

Zero zog in die Türkei. Hier gründete er vor rund vier Jahren den Verein „Yasmin Baladi“ – zu Deutsch „Jasmin meines Landes“. Dieser organisiert ein vielfältiges Angebot für mehr als 1.000 Kinder in Flüchtlingslagern und Krankenhäusern innerhalb Nordsyriens, des Libanons und der Türkei.

Dabei sollen die Musik-, Sport- und Theater-Workshops den Kindern helfen, ihre Erlebnisse im syrischen Bürgerkrieg zu verarbeiten. Außerdem ist Zero an der Publikation eines Magazins im Gedenken an den in Gefangenschaft verstorbenen syrischen Karikaturisten Akram Raslan beteiligt.

Auch den Tod seiner Kollegen des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo verurteilte Zero selbstverständlich. Dennoch war das Attentat für ihn keine Überraschung. Er meint: Jede Gesellschaft setzt ihrem Diskurs bestimmte Grenzen. Eine solche ist die Darstellung des Propheten Mohammeds in islamischen Gesellschaften. Die Aufgabe des Karikaturisten sei es, diese Grenzen zu berühren, ja zu testen – allerdings stets auf respektvolle Weise.

Zeros Kritik richtet sich somit nicht nur an die Attentäter vom 7. Januar 2015. Das größte Problem, so der 39-Jährige, besteht in der fehlenden interkulturellen Kommunikation. Anstatt offener Provokation seitens Charlie Hebdo sowie der gewalttätigen Antwort der Attentäter wünscht sich Zero einen konstruktiven Diskurs. Provokation ja, aber bitte mit Respekt.

Heute lebt Zero im Istanbuler Exil. Hier möchte er bleiben, trotz stetiger Bedrohung. Oft erhält der Künstler Warnungen, die ihm eine säkulare Haltung vorwerfen. Das Risiko einer kritischen Stimme zeigte erst kürzlich der Mord am syrischen Filmemacher Nadschi al-Dscherf in der südtürkischen Stadt Gaziantep. Aufgeben möchte Zero jedoch nicht – seine Karikaturen sind es ihm wert.

Ulla Mundinger