Der Fall eines Käptn’s

REEDER-Prozess

„Wenn der alles richtig macht, haben wir alles falsch gemacht“ – prophetisch, aber nur hinter vorgehaltener Hand waren solche Einschätzungen unter Bremer Reedern zu hören. Sie bezogen sich auf den fulminanten Erfolg des Schwergut-Reeders Niels Stolberg, dessen kometenhafter Aufstieg vom schlichten Käpt’n an die Spitze der maritimen Wirtschaft in einschlägigen Kreisen für Kopfschütteln sorgte.

Zu seinen besten Zeiten beschäftigte Stolberg mehr als 600 Mitarbeiter, Krönung war der Bau einer großformatigen Firmenzentrale mitten in der Weser. Von seinem Büro im obersten Stockwerk aus betrachtet lag ihm die Stadt de facto zu Füßen.

Doch die Kopfschüttler behielten Recht – denn Stolbergs steilem Aufstieg folgte ein noch steilerer Fall. Am Mittwoch beginnt gegen ihn der Prozess vor dem Bremer Landgericht. Stolberg werden Bilanzfälschungen und Insolvenz-Verschleppung sowie Kreditbetrug vorgeworfen. Drei eigens freigestellte Richter haben anderthalb Jahre lang Akten gewälzt, um den Prozess vorzubereiten.

Dass die Skeptiker nur hinter vorgehaltener Hand ihre Bedenken äußerten, lag an Stolbergs gesellschaftlicher Verankerung. Strategisch geschickt verteilte er seine Sponsoring-Gaben an verschiedenste Bereiche der Bremer Bedarfslandschaft. Äußerlich manifestierte sich sein Erfolg durch Aufnahme in die Ritualgemeinschaften der Stadt: Eiswette, Einladung zum Schaffermahl, selbst Schaffer sein. Weiter kann man in Bremen nicht kommen – nur fallen.

Wen die Wahrheit hinter dieser filmreifen Geschichte interessiert, die bereits in mannigfaltigen Versionen tradiert wird, hat nun zwei Möglichkeiten: Man beweist zähes Sitzfleisch an den 56 angesetzten Verhandlungstagen. Oder man wartet weiter auf Stolbergs Buch „Unsinkbar: Ein deutscher Reeder über seinen Aufstieg und Fall“, das der Ludwigshafener Anker-Verlag schon vor Längerem angekündigt hat. Gut möglich, dass es neuen Stoff zum Kopfschütteln liefert. HB