Zahltag in Athen

Korruption Steuerhinterziehung gilt als eine Ursache der Schuldenkrise Griechenlands. Die will Premier Tsipras nun mit nordrhein-westfälischer Unterstützung bekämpfen

„Bin auch in der Schweiz berühmt, aber in Griechenland ist es angenehmer.“: Walter-Borjans bei Tsipras Foto: dpa

Aus Athen Claudia Hennen

„Sie sind berühmt in Griechenland.“ Mit diesem Kompliment empfing der griechische Premierminister Alexis Tsipras am Samstagmittag den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) in der Villa Maximos im Regierungsviertel von Athen. Beide begrüßten sich wie alte Bekannte, Walter-Borjans scherzte: „Ich bin auch in der Schweiz berühmt, aber in Griechenland ist es für mich angenehmer!“

Der Ruf des NRW-Finanzministers als knallharter Schwarzgeld-Jäger hat nun auch Athen erreicht. Die „Borjans-Liste“ ist vielen Griechen ein Begriff. Es handelt sich um Datensätze von 10.588 griechischen Privatpersonen und Firmen, die im Verdacht stehen, Geld auf Konten der Schweizer Bank USB gebunkert zu haben. Insgesamt geht es um Guthaben von etwa sieben Milliarden Schweizer Franken. Im November übermittelte Nordrhein-Westfalen diese heiklen Daten kostenlos nach Athen, die Fahnder hatten sie auf einer gekauften Steuer-CD entdeckt.

Steuerhinterziehung gilt als eine Ursache der Schuldenkrise Griechenlands. Und die will der Premier nun mit deutscher Unterstützung wirksam bekämpfen. „Jetzt ist Zahltag“, verkündete Tsipras entschlossen.

Im Anschluss an das Gespräch unterzeichneten die NRW-Landesregierung und die griechische Regierung eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit beider Steuerverwaltungen. Sie verständigten sich darin auf einen engen Informations- und Erfahrungsaustausch. Deutsches Know-how in Sachen Steuerfahndung soll den Griechen in Workshops und Schulungen vermittelt werden, dazu gehört auch Nachhilfe in Betriebsprüfung oder IT. Als erster Schritt sollen 50 griechische Steuerbeamte für mehrere Wochen in Nordrhein-Westfalen geschult werden. Bei Bedarf könne aufgestockt werden, auch in anderen Bundesländern, versicherte der NRW-Finanzminister. Darüber hinaus bot er auch an, seine Experten nach Griechenland zu schicken.

Durch den Ankauf von mittlerweile elf Steuer-CDs und den dadurch ausgelösten Selbstanzeigen erzielte das Land NRW bislang Mehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro. Dass der Ankauf gestohlener Steuer-CDs in Deutschland als rechtlich zulässig eingestuft wird – der Finanzminister sieht darin einen „Akt staatlicher Notwehr“ – beeindruckt die griechische Regierung. In Griechenland ist es Staatsanwälten erst seit Kurzem möglich, im Kampf gegen Korruption auch von Daten Gebrauch zu machen, die rechtswidrig beschafft wurden. Derzeit arbeitet der Chef der griechischen Steuerbehörden, Vizefinanzminister Tryfon Alexiadis, außerdem an einem Gesetzesentwurf zur Selbstanzeige nach deutschem Vorbild.

15 bis 20 Milliarden Euro entgehen nach Schätzung des griechischen Finanzministeriums dem Fiskus jedes Jahr durch Steuerbetrug und Steuerhinter­ziehung. Das ­entspricht etwa einem Drittel der gesamten jährlichen Steuereinnahmen Griechenlands

Die Borjans-Liste ist eine von vier Listen, die Griechenland von anderen Ländern zugespielt bekommen hat, keine hat bislang Wirkung gezeigt. Schlagzeilen schrieb die „Lagarde-Liste“. Vor über fünf Jahren übergab die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde den Behörden Daten von mehr als 2.000 griechischen Kontoinhabern bei der Bankengruppe HSBC in der Schweiz. Doch die Finanzbehörden wurden nicht aktiv, die Liste ging gar verloren. Als sie später wieder auftauchte, fehlten darauf ausgerechnet die Namen von Verwandten des früheren griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou. Papakonstantinou wurde deshalb später zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Diesmal soll es anders laufen. Direkt nach der Übermittlung der Borjans-Liste hatten Steuerfahnder Mitte Dezember die Büros der Schweizer USB-Bank in Athen gefilzt und Kundendaten beschlagnahmt. Derzeit würden etwa 50 Personen pro Tag von der Borjans-Liste abgearbeitet, man wolle bis zur Jahreshälfte alle Daten durchleuchtet haben, versicherte der Vizejustizminister Dimitrios Papagelopoulos.

Damit die Steuereinnahmen im pleitebedrohten Griechenland sprudeln, muss aber noch viel passieren. Zwar wurde in den vergangenen Jahren die aufgeblähte Finanzverwaltung verschlankt und die elektronische Steuererklärung eingeführt. Doch nach wie vor sind viele Steuerbescheide fehlerhaft. Griechenland ist der EU-Staat mit den meisten Steuerprozessen. Die Finanzbeamten sind schlecht bezahlt, es fehlt an qualifiziertem Personal. Experten zufolge bräuchte es Hunderte zusätzliche Spezialfahnder, um die Schwarzgeldkonten im Ausland aufzudecken.

Etwa 15 bis 20 Milliarden Euro, so die Schätzung des stellvertretenden Finanzministers Trifon Alexiadis, entgehen dem Fiskus jedes Jahr durch Steuerbetrug und -hinterziehung. Das sei etwa ein Drittel der gesamten jährlichen Steuereinnahmen.