„Wir wollen die Rückfallquote senken“

Heidering Der neue Knast liege keineswegs in der Pampa, sondern sei sogar mit dem Bus erreichbar, sagt Anstaltsleiterin Anke Stein. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit werde die Qualifizierung der Häftlinge stehen

■ 42, ist Juristin. Von 2000 bis 2005 hatte sie in Tegel Leitungspositionen inne. Fünf Jahre hat sie anschließend den Neubau in Heidering begleitet. Sie wird das Gefängnis, das trotz seiner Lage dem Land Berlin gehört, leiten.

taz: Frau Stein, Sie werden das neue Männergefängnis leiten. Wofür steht Heidering?

Anke Stein: Das Land Berlin hat dort verwirklicht, was wir uns für den Männervollzug schon immer gewünscht haben: Wir haben Licht, Platz und gute moderne Unterbringungsmöglichkeiten für die Gefangenen. Und natürlich haben wir auch Arbeits-, Freizeit- und Behandlungsmöglichkeiten. Wir hoffen, dass wir dadurch die Behandlung der Insassen verbessern und die Rückfallquote senken können.

Eine neue Haftanstalt böte die Chance, neue Konzepte auszuprobieren. Wie steht es damit?

Heidering wird sein eigenes innovatives Konzept entwickeln. Aber die Anstalt ist Teil der Berliner Vollzugslandschaft. Das heißt, sie muss sich auch in das bestehende System eingliedern. Der Schwerpunkt in Heidering wird in der Beschäftigung und Qualifizierung der Gefangenen liegen.

In der Haftanstalt Tegel gibt es auch gute Ausbildungsbetriebe. Wo sehen Sie den Unterschied?

Man kann die Anstalten nicht miteinander vergleichen. Sie liegen in ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen Verflechtungräumen. Heidering versteht sich auch nicht als Konkurrenzbetrieb zu Tegel, sondern als Ergänzung. Wir gehen in Heidering von 420 Arbeitsplätzen in Vollbeschäftigung aus.

Woran liegt es, dass bisher kein privates Unternehmen bereit war, im Gefängnis Heidering im Ausbildungsbereich anzuheuern?

Dass es keine Firma gibt, die anheuern will, stimmt so nicht. Richtig ist, dass wir mit keiner einzigen Firma einen Vertrag geschlossen haben. Das liegt daran, dass wir Beschäftigungsverhältnisse anbieten wollen, die den Gefangenen in der Resozialisierung helfen. Der Arbeitsplatz sollte ihnen die Chance eröffnen, später auch in Freiheit Arbeit finden zu können.

Was schwebt Ihnen vor?

Infrage kommt alles, was marktgängig ist. Wir befinden uns noch mitten in den Verhandlungen. Ich bitte um Verständnis, dass ich noch keine Einzelheiten verraten kann. Ich würde gern darüber sprechen, weil mich dieses Thema wirklich begeistert. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass wir im Bereich Gastronomie und Gebäudemanagement qualifizieren werden. Ich kann das verraten, weil das Bereiche sind, die wir aus eigener Kraft sicherstellen können.

Kritisiert wurde Heidering auch, weil die Anstalt schlecht zu erreichen ist. Die Lage in absoluter Einöde erinnert fast ein bisschen an Guantánamo.

„Heidering versteht sich nicht als Konkurrenzbetrieb zu Tegel, sondern als Ergänzung“

Das ist aber fies (lacht). So ist es natürlich nicht. Nach Guantánamo fährt kein öffentlicher Bus, nach Heidering schon. Wir haben eine eigene Busstation. Und seit 2. Januar sind wir mit Personal vor Ort, um den Testbetrieb aufzunehmen. Die Taktzeiten werden erweitert, sobald die ersten Gefangenen da sind. Die Besucher müssen also kein Auto haben. Und was die Einöde betrifft: Heidering befindet sich im Gebiet der Gemeinde Großbeeren. Das ist ein florierender Wirtschaftsstandort mit einem großen Güterverkehrszentrum.

Sie gehören zu den wenigen Frauen, die einen Männerknast leiten. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Den kann ich schwer schildern. Das muss man erleben. Es gibt weiblichen Führungsstil, so wie es männlichen Führungsstil gibt. Vor allem aber gibt es individuellen Führungsstil.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE