Keine verwertbaren Zeugenaussagen

PROZESS Am dritten Verhandlungstag des Verfahrens gegen den Werder-Ultra Valentin S. wirft die Verteidigung der Staatsanwaltschaft vor, Ermittlungserkenntnisse unter Verschluss gehalten zu haben

Eindeutig identifiziert werden konnten die Ultras von AugenzeugInnen in den vergangenen zwei Jahren nicht

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen den Werder-Ultra Valentin S. und zwei weitere Angeklagte scheinen auf tönernen Füßen zu stehen. Nicht nur entzieht sich der Hauptbelastungszeuge dem Verfahren. Auch hat die Staatsanwaltschaft dem Gericht und der Verteidigung offenbar wichtige Informationen vorenthalten.

Verhandelt wurde am gestrigen Mittwoch über ein mutmaßliches Opfer von zwei der Angeklagten, das im März 2014 an einer Bushaltestelle in Bremen plötzlich von zwei Unbekannten attackiert worden war. Vor Ort war auch die Mutter des Angegriffenen, die sich zwischen ihren Sohn und einen der Angreifer gestellt hatte, während der andere mehrmals auf ihn einschlug.

„Nazi“ sei gerufen worden, sagte eine 24-jährige Zeugin aus, die an der Haltestelle den Vorfall beobachtet hatte. Offenbar hatten sich die Angreifer durch den Pullover des Mannes provoziert gefühlt.

Auf dem stand „Steinar“, wie ein Polizist aussagte – vermutlich der Aufdruck der in Neonazi-Kreisen beliebten Bekleidungsmarke „Thor Steinar“. Sie schlugen ihm auf den Kopf, bis dieser sagte, er sei Pole und ein Tattoo auf seinem Arm zeigte, berichtete die Zeugin. Dann flohen die Angreifer.

Verhandelt wurde über diesen Vorfall, weil laut Staatsanwaltschaft Valentin S. und einer der Mitangeklagten in das Profil der beiden Angreifer passten. Eindeutig identifiziert werden konnten sie von den AugenzeugInnen in den vergangenen zwei Jahren jedoch nicht.

Der Angegriffene selbst erschien nicht zur Verhandlung. Seit einem Jahr lebt er in Polen. Außer seiner Mutter hat offenbar auch die deutsche Polizei mit ihm telefoniert, das gab zumindest der Staatsanwalt gestern preis. Er sagte, der Zeuge sei nicht bereit, zu den Verhandlungen zu erscheinen und lehne sogar eine Vernehmung „im Grenzgebiet“ ab. Die Verteidiger der Ultras reagierten empört: Von dem Kontakt der Ermittler mit dem Zeugen würden sie heute das erste Mal erfahren. Horst Wesemann, Anwalt von Valentin S., beantragte daraufhin eine Aussetzung des Verfahrens, bis die Akten vollständig seien.

Ein weiterer der sieben Vorwürfe wegen schwerer Körperverletzung gegen den 22-jährigen Valentin S. verlor so gestern an Substanz. Schon am zweiten Verhandlungstag am Montag verstrickte sich ein angeblich von den drei angeklagten Ultras attackierter Fußballfan in widersprüchliche Anschuldigungen.

Wenn der Hauptbelastungszeuge nicht auftauche, liefe das Verfahren auf einen Freispruch der drei Bremer Ultras hinaus, so die Einschätzung von Verteidigerin Lea Voigt. Der nächste Verhandlungstermin findet am 15. Februar statt. Eva Prybylla