Das Eurovision der Islamhasser

Tschechien Rund 4.000 Menschen erscheinen am Samstag zur Pegida-Demonstration in Prag. Die Redner lassen auf dem Podium ihren Bedrohungsfantasien freien Lauf. Kanzlerin Angela Merkel ist der Sündenbock

Anti-Islam-Demonstration am vergangenen Samstag in Prag Foto: Filip Singer/dpa/epa

Aus Prag Alexandra Mostyn

Rund 20 bis 30 mutmaßliche Rechtsextreme haben am Samstag ein linkes Sozial- und Kulturzentrum in der tschechischen Hauptstadt Prag mit Molotowcocktails angegriffen. Die Feuerwehr konnte den Brand in der Einrichtung, die unter anderem kostenlose Tschechisch-Sprachkurse für Zuwanderer anbietet, rasch löschen, wie die Agentur CTK am Samstag berichtete. In dem Gebäude hielten sich demnach etwa 20 Personen auf. Mehrere von ihnen erlitten Rauch- oder Schnittverletzungen. Die vermummten Täter konnten vor dem Eintreffen der tschechischen Polizei entkommen.

Wenige Stunden zuvor hatte sich der tschechische Schulterschluss mit Pegida vollendet. Die islamophobe Bewegung hatte zu einem „internationalen Aktionstag“ aufgerufen. In Tschechien folgten über 4.000 Menschen dem Ruf, um auf dem Burgvorplatz gegen eine drohende „Islamisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren.

Live-Schalten aus Dresden und Reden auf Tschechisch und Deutsch verschafften der Demonstration ein Flair von Eurovision in den 70er Jahren. Auch das fortgeschrittene Durchschnittsalter der Demoteilnehmer hatte etwas von einer Schlagerveranstaltung. „My jsme tady doma“ – „Wir sind hier zu Hause“, skandierten die Teilnehmer immer wieder zwischen den Reden auf Tschechisch, Deutsch und Englisch. Die drehten sich vor allem um zwei Feindbilder: „wilde Muselmanen“ und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

„Die Flüchtlingskrise ist eine unbewaffnete Invasion junger Männer, die verdeckt an terroristische Organisationen gekoppelt sind“, erklärte derAnführer des „Blocks gegen den Islam“, Martin Konvička, gleich zu Beginn der Protestaktion und brachte so die Menge in Stimmung. „Und wie sie mit uns umgehen wollen, haben sie in Paris und an Silvester gezeigt“, setzte Konvička noch einen drauf. „Wir sind hier zu Hause!“

Wer für die „Invasion“ verantwortlich ist, machte kurz darauf Miroslav Lidinsky klar, ein Afghanistan-Veteran und Vorsitzender der islamfeindlich-populistischen Kleinpartei „Morgenröte“ (Úsvít). „Wir wollen Merkel stoppen!“, erklärte Lidinsky. Denn Merkel habe nicht nur den ganzen Schlamassel zu verantworten, sondern fördere, zusammen mit ihren tschechischen „Kollaborateuren“, Ministerpräsident Bohuslav Sobotka und Menschenrechtsminister Jiří Dienstbier, „gesellschaftliche Parasiten“. Nachdem weitere Redner auf dem Podium direkt vor der Prager Burg ihren Bedrohungsfantasien freien Lauf gelassen hatten (“Kinder können nicht mehr auf die Straße“, „Infektionskrankheiten“, „Aggressoren“), ertönte mehrmals der Ruf „Wir sind hier zu Hause“, bevor zum krönenden Abschluss von einer „Festung Europa“ fabuliert und dann endlich die tschechische Nationalhymne abgesungen wurde. Diese beginnt bezeichnenderweise mit der Frage „Wo bin ich zu Hause?“.

In einer multikulturellen Gesellschaft jedenfalls nicht. Wie viele Muslime in Tschechien zu Hause sind, kann keiner ganz genau sagen. Laut der letzten Volkszählung von 2011 sind es wohl kaum mehr als 2.000. Die muslimischen Gemeinden jedoch sprechen von etwa 20.000 Personen.

Dabei ist die Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres in Tschechien so gut wie gar nicht angekommen. Bis Ende September des vergangenen Jahres waren knapp 1.000 Asylanträge eingereicht worden. Nur zehn Prozent davon von Menschen aus Ländern mit einer muslimischen Mehrheit.

Kein Wunder. Laut jüngsten Umfragen sprechen sich rund 80 Prozent der Tschechen ge-gen den Zuzug von Migranten aus.

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