LeserInnenbriefe
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Ein weltweiter Präzedenzfall

betr.: „Das Ende des Schweigens“, taz vom 1. 2. 16

Vielen Dank für den sehr guten Artikel über den Fall des Militärlagers Sepur Zarco in Guatemala. Die Rechtsanwältin Paula Barrios hat recht, wenn sie sagt, dass es sich um den ersten Fall vor einem guatemaltekischen Gericht handelt, der ausschließlich die sexuelle Gewalt gegen Frauen während des Bürgerkrieges zum Gegenstand hat. Das ist korrekt. Der Fall „Sepur Zarco“ ist aber auch der erste Fall, in dem ein nationaler Gerichtshof die sexuelle Gewalt gegen Frauen in Zeiten einer kriegerischen Auseinandersetzung verhandelt. „Sepur Zarco“ ist ein weltweiter Präzedenzfall. Wir schreiben das Jahr 2016.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen während kriegerischer Handlungen wird ja schon länger nicht mehr als Eigentumsdelikt oder legitime Art der Kriegsführung behandelt (Römer, Griechen). Trotzdem: Auch nach dem Lieber Code unter Abraham Lincoln, den Haager Konventionen nach dem Ersten Weltkrieg, den Nürnberger und Tokioter Tribunalen, der Einrichtung eines internationalen Militärtribunals und der Genfer Konvention gab es noch Ruanda, Bosnien und Herzegowina und so weiter, davon abgesehen, dass im Falle der sexuellen Gewalt gegen Frauen oftmals eine Rechtsprechung durch die Sieger stattfindet oder stattgefunden hat und eigene Truppen unbehelligt blieben.

„Sepur Zarco“ ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Man kann Guatemala dazu nur herzlich gratulieren. Durch die unermüdliche Aufarbeitung von Verbrechen während des Bürgerkrieges (auch mit Geldern des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wurde in Guatemala in den vergangenen beiden Dekaden eine Menge geleistet. LEONHARD SANTIAGO SCHNEIDER, Frankfurt am Main

Lieber uneffektiv und ungefährlich

betr.: „Minister sind für E-Auto-Prämie“ und „Kaufprämie für neue BMW i3“, taz vom 4. 2. 16

Warum glauben wir eigentlich, dass der Antrieb das Problem ist und nicht das Vehikel als solches? Warum soll die Allgemeinheit die fragwürdige Mobilität der Wohlhabenden unterstützen, die sich wahrscheinlich noch ein weiteres Luxusgut zulegen werden, ohne auf ein anderes zu verzichten? Oder muss man die Autoindustrie noch mehr subventionieren? Batterien als Speicher im besten Fall für Ökostrom, der im Moment nicht benötigt wird?

Dann selbigen lieber uneffektiv, aber auch ungefährlich in Form von Nachtspeicherheizungen konservieren, denn Batterien sind niemals ganz ungefährlich für den Besitzer, und die einzelnen Elemente kommen in der Regel aus Krisengebieten, die durch die Gewinnung zusätzlich mit weiteren Umweltbelastungen zu kämpfen haben. PETER GILBERT, Bottrop

Die geistigen Kleingärtner

betr.: „Die innere Entleerung“, taz vom 3. 2. 16

Das Schlagloch von Georg Seeßlen ist eine exakte Beschreibung des Istzustands unserer Republik. Eins der besten Beispiele für die Nichtachtung unseres demokratischen Grundgesetzes ist der Umgang mit dem Geheimabkommen TTIP. Die Hörigkeit gegenüber einem antidemokratischen Amerika und den Interessen der weltweiten Wirtschaft bricht uns das Genick.

Die Masse der Bürgerinnen und Bürger interessiert die geistigen Kleingärtner in den Regierungen überhaupt nicht. Wir sind nur noch Manipulationsmasse. Wahlen sind nur noch Alibi für den Begriff „Demokratie“, und nicht nur das Prekariat geht nicht mehr wählen. Politisch bewusste Menschen können die globalen Machenschaften des Kapitals auch nicht mehr verantworten. Ich nenne es resigniert Demokratur. Es ist gigantischer „Machtmissbrauch!“ INGE NAUJOKS, Krefeld

Jeder atomare „Einzelfall“

betr.: „Noch mehr Milliarden für Hinkley Point C“, taz vom 4. 2. 16

„Dass Deutschland bei dieser Entwicklung untätig bleibt, ist unverantwortlich.“ Danke für diese klare Ansage!

Überall in Europa hält die Atomindustrie gierig die Hände nach Steuergeldern auf: Hinkley C, Paks II und als Nächstes (25. 2. 2016) steht Frankreich in Brüssel auf der Matte, um das taumelnde Nuklearflaggschiff Areva vor dem Untergang zu retten. Mit Steuergeldern natürlich.

Die Erfahrung zeigt: Jeder atomare „Einzelfall“ wird in Brüssel abgenickt. Im Gegensatz dazu sollen bei den erneuerbaren Energien Fördersysteme EU-weit „harmonisiert“ werden. Im Klartext: Die Abschaffung des EEG wird genau da vorbereitet, wo die Atomwirtschaft Milliardenzugeständnisse bekommt.

Höchste Zeit, in Berlin über Staatsbeihilfen für Atomkraft, aber auch über Anlagensicherheit in Europa zu reden. Die Bürgerinnen und Bürger sind es langsam leid, dass die Kanzlerin sich immer wegduckt, wenn Haltung gefragt ist – sowohl bei neuen Atomprojekten als auch bei Uraltmeilern: In Sachen Doel/Tihange hört und sieht man nichts von Frau Merkel.

Während diese Zeilen entstehen, meldet die Nachrichtenagentur Reuters, dass am AKW Fessenheim die Sirenen schrillen, Rauch aufsteigt und die Feuerwehr ausgerückt ist. Wen kümmert's? Nukleare Sicherheit ist schließlich Sache der Nationalstaaten. EVA STEGEN, Freiburg