Flüchtlingspolitik

Weil bisherige Ideen – etwa die "Hotspots" – nicht viel brachten, gerät die Sicherung der EU-Außengrenzen wieder in den Vordergrund

Keine Einwanderungspolitik „à la carte“

Griechenland Politiker und Zeitungen in Athen reagieren entsetzt auf die jüngsten Drohungen eines Ausschlusses aus dem Schengen-Raum

Was? EU-Ermittler haben bei Überraschungsinspektionen in Griechenland nach eigenen Angaben „große Mängel“ bei den Kontrollen der EU-Außengrenzen festgestellt. Die Checkpoints würden eintreffende Flüchtlinge nicht immer richtig registrieren, ihnen Fingerabdrücke abnehmen und ihre Pässe prüfen.

Und nun? Migrationsminister Ioannis Mouzalas sprach von einem „schlechten Bericht“. Er dokumentiere aber etwas, „was wahr ist“. Im TV-Sender Skai sagte der Minister, er habe dabei ein ungutes Gefühl, „weil es Versuche gibt, eine Atmosphäre gegen Griechenland zu schaffen“. (ap)

ATHEN taz | „Wenn die Regierung in Athen nicht endlich mehr für die Sicherung der Außengrenzen unternimmt, dann muss man auch über den vorüber­gehenden Ausschluss Griechenlands aus dem Schengenraum offen diskutieren dürfen“ erklärte Österreichs Innenministerin Johanna Mickl-Leitner jüngst in der Welt am Sonntag. Das war der wohl vorläufige Höhepunkt einer aufgeregten Debatte um die Rolle Griechenlands in der europäischen Flüchtlingskrise.

In Athen glaubt man, dass dies keine Einzelmeinung war. Ohne Zustimmung Deutschlands hätte ein österreichisches Kabinettsmitglied so etwas nicht gesagt. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) versuchte dem sofort zu begegnen: Er kritisierte öffentlich die Drohung aus Wien.

Aber der Eindruck bleibt: Die EU wolle die Grenzen Griechenlands im Norden für zwei Jahre abriegeln und das Land dadurch in ein elendes „Seelenlager“ Europas verwandeln, titelt am Mittwoch die Athener Zeitung Ethnos. Für die linksliberale Zeitung der Redakteure legten die EU-Partner sogar „Hysterie“ an den Tag. Griechenlands linksgeführte Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Genfer Flüchtlingskonvention gebrochen würde, wenn die Griechen Asylsuchende an der EU-Außengrenze zurückschickten. Allein in den vergangenen zwei Tagen kamen mindestens 25 Menschen auf dem Weg zu den Inseln Samos und Kos ums Leben.

Einwanderungsminister Io­an­nis Mouzalas – ein in Griechenland hoch respektierter Arzt, der an mehr als dreißig Hilfsmissionen in Afrika und Asien teilgenommen hat – mahnt: Eine europäische Einwanderungspolitik à la carte dürfe es nicht geben. „Die einen wollen keine Schwarzen, die anderen keine Alleinstehenden, andere wiederum keine Frauen mit Kindern. Das ist doch keine europäische Perspektive“, klagte er im TV-Sender Skai. Die Entscheidung Dänemarks, Asylbewerbern Bargeld und Wertgegenstände im Wert von mehr als umgerechnet 1.340 Euro abzunehmen, erinnere ihn an die Judentransporte, donnerte er.

Griechenland sei selbstverständlich bereit, mit den EU-Partnern zusammenzuarbeiten, sagte er, und das könnte so aussehen: Flüchtlinge, die keine Aussicht auf Asyl hätten, würden auf den griechischen Inseln registriert und gleich am nächsten Tag in Frontex-Schiffen zurück in die Türkei gebracht.

Wiederholt erklärte Regierungschef Alexis Tsipras, nicht Griechenland, sondern die Türkei sei das Eingangstor Europas für Flüchtlinge. Unerwähnt bleibt allerdings zumeist – nicht zuletzt in den Reden griechischer Amtsträger –, dass die Türkei über 2 Millionen Menschen aus Syrien Zuflucht geboten und damit einen wichtigen Beitrag zur Meisterung der Flüchtlingskrise geleistet hat. Jannis Papadimitriou