Klick zur Kunst

WERKE Galeristen handeln Gemälde und Installationen häufiger übers Netz. Die Territorien werden gerade abgesteckt

■ Der Anfang: Die VIP Art Fair wurde von New Yorker Galeristen und Unternehmern aus dem Silicon Valley ins Leben gerufen. Sie fand zum ersten Mal im Januar 2011 statt und war damals die erste reine Online-Kunstmesse. Mehr als 2.200 Künstler waren vertreten und Galerien aus 30 Ländern.

■ Der Markt: Der erste Versuch der VIP Art Fair allerdings entwickelte sich zum Desaster. Die Server hielten dem Besucheransturm nicht stand. Mittlerweile hat sich die Veranstaltung auf vipart.com etabliert. Auch Projekte wie Artnet.com oder artsy.net fördern den Online-Kunsthandel.

VON MARCUS WOELLER

Wer ein neues Album kaufen will, geht nicht mehr in den Plattenladen, sondern holt es sich per Download ins Haus. Stiefel kann man bequemer daheim anprobieren als im Schuhgeschäft. Filme schaut man über Streamingportale oder lädt sie runter, statt in die Videothek zu laufen. Aber Kunst? Der Kunsthandel hat sich noch nicht so virtualisiert wie die Märkte für andere Gebrauchs- oder Kulturgüter. Mit der Betonung auf noch, denn auch hier ändern sich die Strukturen.

Im Januar 2013 tritt die VIP Art Fair zum dritten Mal an, als rein virtuelle Kunstmesse im Internet. Gestartet mit großem Medienecho und gewaltigem User-Interesse, war die erste Ausgabe vor zwei Jahren ein Fiasko. Kurz nach Eröffnung der Messe brachen die Server zusammen. Nichts ging mehr. Der GAU für ein ambitioniertes Start-up und für viele der Beweis, dass eine Kunstmesse online noch nicht funktionieren konnte. Erst im zweiten Jahr funktionierte alles reibungslos.

Der Berliner Galerist Johann König ist von Anfang an dabei, und er will der Messe weiter die Treue halten. „Wir haben in der ersten Stunde, als es noch ging, sogar eine große Arbeit verkauft. An einen institutionellen Sammler, den ich zwar namentlich kannte, den ich aber noch nie getroffen hatte. Seitdem habe ich viele Geschäfte mit ihm gemacht. Es war die Idealkonstellation für eine Messeteilnahme.“ Die verkaufte Installation von Natascha Sadr Haghighian hätte König auf einer herkömmlichen Kunstmesse kaum zeigen können, zu raumgreifend arbeitet die Künstlerin. Der begrenzte Platz analoger Messekojen schließt manche Präsentation aus ökonomischen Gründen praktisch aus, also dominiert oft Handliches und Flachware.

Vor allem verminderte Kosten können Galeristen von einer nur virtuell stattfindenden Messe überzeugen. Schließlich müssen keine Flüge und Hotelzimmer für mehrere Mitarbeiter gebucht werden, heikle Transporte und Hängungen fallen ebenso aus. Aber wiegen solche wirtschaftlichen Vorteile die Nachteile auf? Kunst will schließlich vor allem eines: visuell und haptisch erlebt werden, ohne einen elektronischen Filter dazwischen.

Matthias Arndt, Betreiber der Berliner Galerie Arndt, der ebenfalls bei der VIP Art Fair vertreten ist, freut sich über die „Zeitersparnis durch eine Reise weniger, die zu unternehmen ist“. Er nutze das Portal als aktive Webplattform, von der er zwar keine direkte Interaktion mit Sammlern erwarte, aber eine fokussierte Präsenz gegenüber ausgewähltem Publikum: „Den persönlichen Kontakt zu den Kunden pflege ich durch gezielte Besuche von Sammlungen und Ausstellungen. In diesem Jahr bin ich laut Meilenstatus 550.000 Kilometer geflogen.“ Bei der Anbahnung von Verkäufen schätze er, „dass gut 60 bis 70 Prozent der ersten Information über eine verfügbare Arbeit und eine aktuelle Ausstellung über das Netz erfolgt.“

Um diese Informationsschnittstelle für Kunst im Internet konkurrieren mittlerweile verschiedene Anbieter, denn hier gilt es auch Territorien abzustecken. VipArt.com – das Fair ist vor kurzem aus dem Namen verschwunden – will nicht mehr länger nur eine einmalige Messe im Jahr sein, sondern bietet zusätzlich mehrere thematische und zeitlich begrenzte Events an, bei denen die Kunden etwa Fotografie oder Werke auf Papier anbieten können.

Darüber hinaus können sich die Galerien auf dem Portal präsentieren. Für Onlinekäufer bietet das den Vorteil, dass sie Kunstwerke verschiedener Händler auf einer neutralen Oberfläche betrachten und Informationen abgleichen können.

Konkurrent Artnet.com lässt sich diese Möglichkeit schon seit Jahren gut bezahlen. Abonnenten können dort auf eine umfangreiche Datenbank von Verkaufs- und Auktionsergebnissen zurückgreifen – ein Tool, auf das praktisch alle Galeristen und Kunstsammler angewiesen sind. Die noch junge Bildsuchmaschine artsy.net hat mit der Millionenunterstützung solventer Kunsthändler wie Larry Gagosian den Algorithmus für ein „Art Genome Project“ entwickelt, mit denen sich Kunstwerke anhand von Schlagworten systematisch vergleichbar machen lassen sollen.

Der Kunstmarkt hat die Finanzkrise bislang recht gut überstanden, nun wollen neue Umschlagplätze im Internet etabliert werden. „Die gezielte virtuelle Initiative leitet gut 80 Prozent unserer Transaktionen ein. Fast die Hälfte der Werke wird erworben, ohne vom Käufer beim Abschluss im Original gesehen worden zu sein“, sagt Matthias Arndt, der nun besonders in Asen aktiv ist. Er will die klassisch ortsgebundene Galerie zur internationalen Marke formen. „Ein wirklich globaler Kunstmarkt erfordert auch neue Formate der Galeriearbeit. Je nach Mandat, das ich mit einem Sammler oder Künstler vereinbare, bin ich Händler, Kurator oder Agent.“

Galerist Johann König hält noch nichts von der Abkehr vom traditionellen Kunsthandel. „Aber mir gefällt an Events wie der VIP Art Fair, dass sie eine zeitgemäße Entscheidungsfindung ansprechen“, stellt er fest. „Ideal für uns Galeristen wäre es doch, einen Nachfragemarkt zu installieren, statt weiter am Angebotsmarkt festzuhalten.“

Dieser großen Besonderheit des Kunstmarktes, den richtigen Käufer mit dem richtigen Werk zusammenzubringen, kommt die Virtualisierung der Handels- wie der Informationsplattformen jedenfalls entgegen.