Erstmals gibt es eine Minderheitsregierung auf der Grünen Insel

Irland Mit dem Versprechen auf Ministerposten an diverse Abgeordnete rettete Enda Kenny seine Wiederwahl. Wie lange er auf Posten bleibt, ist fraglich

Enda Kenny (vorne) bei der Parade zum Osteraufstand Foto: reuters

DUBLIN taz | 70 Tage nach den Wahlen hat das Parlament in Dublin am Freitagabend Enda Kenny von der konservativen Partei Fine Gael („Stamm der Gälen“) zum Premierminister gewählt. Nach zähen Verhandlungen stimmten neben den 50 Abgeordneten seiner Partei auch neun Parteilose für ihn, sodass die Mindestzahl von 58 Stimmen für eine Minderheitsregierung im 158 Abgeordnete umfassenden Parlament erfüllt war.

Kenny hat sich die Stimmen der Parteilosen mit dem Versprechen erkauft, ihnen in der kommenden Amtszeit nach und nach Ministerposten zuzuschanzen. Den Anfang machen Finian McGrath, Shane Ross und Denis Naughten, die Kenny in der Vergangenheit des Öfteren scharf kritisiert haben.

Die 43 Abgeordneten der größten Oppositionspartei Fianna Fáil („Soldaten des Schicksals“) und die beiden Grünen enthielten sich der Stimme, während Sinn Féin, die linke Anti-Austeritäts-Allianz, einige Parteilose sowie der bisherige Koalitionspartner in der Regierung, Fine Gael (Labour-Partei), gegen Kenny votierten.

Das Stillhalteabkommen zwischen den beiden großen Parteien gilt vorerst bis Herbst 2018. Wahrscheinlich wird Kenny dann zurücktreten und den Posten des Taoiseach, wie der Premierminister auf Irisch heißt, an einen Parteikollegen abgeben. Er hatte Fianna Fáil eine Koalition angeboten, bei der er nach zwei Jahren sein Amt an den Fianna-Fáil-Chef Micheál Martin übergeben wollte, doch Fianna Fáil lehnte das Angebot ab.

Beide Parteien unterscheiden sich zwar politisch kaum voneinander, aber seit dem Bürgerkrieg 1922, bei dem es um den Friedensvertrag mit England ging, durch den die Insel geteilt wurde, ist man mehr oder weniger tief verfeindet.

Bei den Wahlen zum nord­irischen Regionalparlament haben die großen Parteien ihre Führungsposition behauptet. Die protestantische Democratic Unionist Party (DUP) gewann 38 Sitze, die katholische Sinn Féin 28. An der Spitze der Mehrparteienregierung bleiben Arlene Foster (DUP) und Martin McGuinness (Sinn Féin). Zum ersten Mal ziehen mit Gerry Carroll und Eamonn McCann zwei Mitglieder der linken Anti-Austerity Alliance ins Belfaster Parlament ein. Die Grünen gewannen ebenfalls zwei Sitze. (rso)

Bei den Wahlen am 26. Februar diesen Jahres hatte die Regierungskoalition aus Fine Gael und Labour starke Verluste hinnehmen müssen. Vor allem die Labour Party wurde von den Wählern abgestraft, weil sie den drastischen Sparkurs mitgetragen hat. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den vergangenen fünf Jahren immer weiter auseinandergegangen, die Zahl der Obdachlosen hat sich drastisch erhöht, und die wirtschaftliche Erholung steht nach wie vor auf wackligen Füßen. Ralf Sotscheck