Boko Haram marschiert gen Norden

Niger Pünktlich zum Ramadan erschüttert ein Großangriff der Terrormiliz aus Nigeria das Land

Niamey, Samstag: Solidaritätsmarsch für Bosso Foto: Tagaza Djibo/reuters

COTONOU taz | Es dürfte einer der schwersten Terroranschläge in Niger gewesen sein. Jetzt hat die Regierung in Niamey offiziell bestätigt, dass es bei dem Überfall auf die Stadt Bosso in der Nacht zu Samstag 32 tote Soldaten sowie 67 Verletzte gegeben hat. Auf Terroristenseite wird nur von „mehreren Toten und Verletzten“ gesprochen. Die nigerianische Miliz Boko Haram hatte einen Militärposten in der Stadt, die an der nigerianischen Grenze liegt, angegriffen und für ein Blutbad gesorgt.

Es ist eine Entwicklung, die sich seit April immer stärker abzeichnet. Boko Haram mordet häufig jenseits der Grenze und tötete erst Ende Mai sechs Menschen in Yébi, einem Dorf bei Bosso. Laut der humanitären UN-Koordinierungsstelle OCHA dürften seit Februar 2015 mehr als 30 Anschläge in Niger auf das Boko-Haram-Konto gehen. Allein im vergangenen April waren es zehn.

Die südostnigrische Region Diffa, in der Bosso liegt und die an Nigeria grenzt, musste in der Vergangenheit schon viele Flüchtlinge aus Nigeria aufnehmen, derzeit rund 82.000. Die offizielle Zahl des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR für nigerianische Flüchtlinge in ganz Niger liegt bei 114.048 Menschen.

Doch auch auf nigrischer Seite wollen immer mehr Menschen gefährdete Dörfer verlassen. Es wird geschätzt, dass mittlerweile eine viertel Million Menschen in Diffa auf der Flucht sind: Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Rückkehrer. Hilfsorganisationen bezeichnen die Versorgungslage als schlecht. Ohnehin ist Niger eines der ärmsten Länder der Welt. Stoppen lassen dürften sich die Anschläge erst einmal nicht. Denn es scheint eine Taktik der bewaffneten Islamisten Nigerias zu sein, immer häufiger im Nachbarland und somit in Richtung Norden zuzuschlagen. Boko Haram ist auch im Niger gut vernetzt, die Region Diffa gilt seit Jahren als Rückzugsort.

Allerdings ist es auch in den vergangenen Monaten in Nigeria regelmäßig zu Überfällen gekommen. Augenzeugen berichten außerdem, dass Boko Haram im Sambisa-Wald an der Grenze zu Kamerun, wo die Gruppe eine Menge Unterschlüpfe hat und zuletzt Großoffensiven der nigerianischen Armee im Gange waren, bis zu 1.000 Kämpfer unter Waffen hält. Binnenflüchtlinge haben große Angst, dorthin zurückzukehren.

In diesem Landesteil sind rund eine viertel Million Menschen auf der Flucht

Vor neuen Großanschlägen auch in Nigeria selbst warnt nun die Armee, da am Montag der islamische Fastenmonat Ramadan begonnen hat. Dieser soll neben dem Fasten zum Innehalten, Beten und Studieren des Koran genutzt werden. Doch Gläubige müssen nun besonders vorsichtig sein, wenn sie zum gemeinsamen Beten und Fastenbrechen in die Moschee gehen. Große Menschenansammlungen locken schließlich mutmaßliche Terroristen an. Schon im vergangenen Jahr kam es während des Ramadans zu zahlreichen Angriffen. Dazu hat dieses Jahr schon vor zwei Wochen der IS aufgerufen, dem sich Boko Haram angeschlossen hat. Katrin Gänsler