Nicht nur Unterhaltung

Straßenkunst Nach Finanzierungsproblemen in den vergangenen Jahren findet das Festival „Stamp“ erstmals im Rahmen der Altonale statt. Dabei möchte es ausdrücklich mehr sein als nur ein buntes Spektakel

Spiel mit Erwartungen: Die belgische „Boucherie Bacul“ verkauft alles Mögliche, nur kein Fleisch Foto: Stamp-Festival

von Katrin Ullmann

Straßenkunst, das klingt vor allem nach Spektakel. Nach Feuerspuckern, Jongleuren, Pantomimen, Kreidemalern, Seifenblasenakrobaten, überschminkten Menschenskulpturen und Hobbymusikern, die mit Verstärker ihren Pop-Idolen nacheifern. Und natürlich nach ambitionierten Clowns, die mit überdimensionierten Hüten ihre Klingel-Gage sammeln.

Spektakuläres verspricht denn auch „Stamp“, das internationale Festival für Straßenkünste Hamburg fürs kommende Wochenende: „Es wird bunt & laut … noch schöner, bunter & lauter als bisher“. Zum sechsten Mal findet das Festival statt und eröffnet – nach bedrohlichen Finanzierungsproblemen in den vergangenen Jahren – erstmals das ausufernde Stadtteilkulturfest Altonale, dem es nun angegliedert ist.

Trotzdem möchte sich das Festival ausdrücklich von Straßenkunst-Klischees abheben. Die teilnehmenden Künstler immerhin, das ist schon mal ein markanter Unterschied zum Hutgeld-Prinzip, erhalten feste Gagen. „Ich übernehme gerne die Festivalleitung“, hatte Tom Lanzki vor drei Jahren gesagt, „aber nur, wenn die Künstler bezahlt werden.“

Stamp, das steht für: „Street Arts Melting Pot“. Tatsächlich ist es ein Festival mit deutlicher internationaler Ausrichtung. Beim diesjährigen Aufschlag performen rund 1.000 Künstler aus mehr als 20 Nationen an insgesamt 10 Spielorten. Die Bandbreite der Veranstaltungen ist entsprechend groß: Sie reicht von klassischem Straßentheater über Paraden bis hin zu Hip-Hop, Musik und Urban Art.

Den Auftakt macht dabei eine ungewöhnlich aufwendige Produktion: Die Eröffnung am Freitag ist Teil des EU-Projekts „Freedom Carnival“, das in Kooperation mit dem Stadtteilkulturzentrum Haus Drei entstanden ist. „Dieser erste Abend“, verspricht Lanzki, „wird ein einzigartiges Erlebnis sein.“ Der ganze Park um den Platz der Republik werde mit Street Art in jeglicher Form gefüllt und illuminiert, dazu gibt es eine Open-Air-Inszenierung mit 40 SchauspielerInnen, einer Opernsängerin und illuminierten Kostümen zum Thema Freiheit und Demokratie.

Den Großteil des Programms aber bestreiten auch beim Stamp-Festival kleinere Formate wie die sogenannten Walk-Acts, also Theater im öffentlichen Raum, das sich fortbewegt. „Auf diese Weise werden Irritationen ausgelöst, wird das Publikum überrascht“, sagt Lanzki. „Walk-Acts haben zwar einen konkreten Anfangspunkt, aber keinen Endpunkt – das ist das Spannende daran.“

Mit der Irritation spielen auch etliche andere Straßenkunstprojekte. „Fadunito Street Arts“ aus Spanien etwa werden einen leeren Rollstuhl durch die Straßen fahren lassen. Und auch der Metzger-Stand der belgischen Gruppe „Boucherie Bacul“ verkauft alles andere als Fleisch, mit allerhand merkwürdigen Techniken.

Den Auftakt macht eine große Open-Air-Inszenierung zum Thema Freiheit und Demokratie

Ein fester Bestandteil von Stamp ist neben der klassischen Straßenkunst von Beginn an aber auch all das, was heute im weiteren Sinne zur urbanen Kunst gezählt wird. In Hinterhöfen und Durchgängen gibt es neu entstandene Urban-Art-Werke zu entdecken, in Workshops kann man außerdem lernen, selbst Hand anzulegen. Von Beginn an dabei ist außerdem die Hip-Hop-Academy Hamburg, die neben DJs vor allem internationale Tänzer und Choreografen eingeladen hat und deren Popping- und Breakdance-Battlefield auch dieses Jahr wieder einer der Höhepunkte des Festivals ist.

Dennoch gebe es bei aller Vielfalt einen roten Faden, betont Festivalleiter Lanzki. „Ich suche mir schon die Themen aus und versuche, da sehr kritisch zu sein, um letztlich eine homogene Mischung zu erhalten.“ Kitsch und Spektakel sind dabei ausdrücklich erlaubt. Natürlich dürfen auch diesmal Paraden wie die Night Parade nicht fehlen, die Samstagnacht mit Tausenden illuminierten Kostümen durch den Stadtteil zieht.

Die seien, so formuliert es Lanzki, „zu bestaunende Unterhaltung – etwas zum Große-Augen-Machen“ mit dem Anspruch, „unterhaltsam zu sein und gleichzeitig kritisch“. Das Spannende, findet er, sei auch dabei, dass es im öffentlichen Raum stattfindet. „Es ist besonders spannend zu sehen, inwiefern die Performance die Situation verändert. Die reine Unterhaltung“, sagt der ausgebildete Schauspieler und Pyrotechniker, „das ist mir zu wenig.“

Fr, 1. 7., bis So, 3. 7., rund um den Altonaer Bahnhof. www.altonale.de/stamp/