Nur minimal verkackt

Fans Rund um das Spiel gegen Nordirland laufen die Anhänger beider Teams zu Hochform auf

PARIS taz | „Mein Gott, kommt denn hier mal jemand und bedient uns?“ Die zwei deutsch gedressten Herren vor der Bar du Quai wollen Bier. Drinnen steht gefühlt je ein Bataillon von Nord­iren und Sachsen und trinkt es am Tresen. In Sichtweite der Bar, des Eiffelturms und blühender Rabatten veranstalten derweil 4.000 sich La Mannschaft zugehörig Fühlende einen Marsch entlang der Seine zum Stade des Princes im schnieken 16. Bezirk von Paris. Der Schaulauf wird begleitet von 150 hochgerüsteten Polizisten und einem Schupo aus Niedersachsen, der in seiner blauen Polizeikutte so wirkt, als würde er gleich eine Doppelstunde Verkehrserziehung erteilen.

Hugh aus Belfast, der einen Schal trägt vom Sieg der Nordiren gegen Spanien 1982, schließt sich dem Marsch an. Er ist Fan beider irischer Teams – „weil, wegen – unserer Geschichte“.

Vom roten Doppeldecker des Fan Clubs Nationalmannschaft ertönen unterdessen schaurigharmlose Lieder mit Texten wie „Ein Hoch auf das, was vor uns liegt, ein Hoch auf diese Zeit“, und dann geht es auch schon sportlich und zu viertausend in einen engen Tunnel hinein, inschallah.

Vorne kommen alle wieder heile raus, und französische Mädels strahlen, weil ihnen irgendjemand vom DFB schwarz-rot-goldene Armbänder am Wegesrand schenkt, und der Fangesänge und Fantänze sind viele, und seltsame Dialekte werden auch gesprochen.

Auf der Avenue de Versailles kurz vor dem Stadion, immerhin ist man vier Kilometer marschiert, fährt ein sehr kleiner Kroos auf einem sehr kleinen Rad, und nur im Weinladen Nicolas ist die Stimmung schlecht, denn dort hat ein Nordire in die Ecke geschissen. Der füllige Patron wirft daraufhin alle Fans raus, die dort etwas Billigeres als Bier suchen, dann schließt er ab und lässt den Rolladen herunter.

Im Stadion stinkt gar nichts zum Himmel, außer dass sich in Minute 26:30 Neuer und Boateng sichtlich fetzen. Die nördlichen Iren feiern einfach durch, egal welche Chancen sie vergeben. Sicherheitsbeamte in himmelblauen Trainingsanzügen und mit Jupp-Derwall-Flair kaufen sich Chips im Außenrund, und als alles vorbei ist, fahren die Cops von der CRS, der französischen Spezialeinheit, Autokorso und schwenken die Fahne der Kronkolonie.

Darauf muss Richard, aus Hollywood und mit knallgrüner Afro­perücke, sofort anstoßen: „Schon toll, so geht’s doch auch bei der EM!“ Am Brexit-Tag sei für ihn allerdings klar: „Out aus Europa! Viel zu viele Einwanderer!“ Wo käme man denn da hin. Harriet Wolff