Wochenschnack
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Wahlkampfgetöse

Populismus Sahra Wagenknecht, Palmer, de Maizère sind besorgt ob der vielen Flüchtlinge. Machen sie Zugeständnisse an ganz rechts?

Tübingens syrischer Bademeister Aiham Shalgin darf hierbleiben Foto: Silas Stein/dpa

Das „eigene“ Land

betr.: „Lob auf eine Populistin“, taz vom 30. 7. 16

Lieber Herr Feddersen, wenn Sie schon das populistische Verkürzen von Logik- und Argumentationsketten als notwendigen Versuch zum Kontakthalten der politischen Einflussebene mit den „kleinen Leuten“ missinterpretieren , so nimmt es auch nicht wunder, dass Sie Ihr „Solidarität zuerst für uns selbst“-Geschwurbel nicht zu Ende gedacht haben. Oder schließt „soziale Gerechtigkeit in erster Linie für jene, die im eigenen Land leben“ („eigenes Land“ – kann ich bitte mal den Kaufvertrag sehen?!) etwa nicht auch diejenigen ein, die dieses Land notgedrungen oder auch bewusst gewählt zu ihrem neuen Lebensort gemacht haben? Wo genau ziehen Sie die Grenze zwischen „wir“ und „die“? Dass diese eher zwischen oben und unten verläuft, deuten Sie schließlich selbst an. Warum also die Erkenntnis, dass systemrelevante Veränderungen mit nationalen Sonderwegen (was Christoph Butterwegge tags zuvor in der taz als „Standortnationalismus“ bezeichnete) nicht zu erreichen sind, als „linskradikalen Humanismus“ schmähen? Rechten Populisten geht es primär um die Sicherung des eigenen Status und keineswegs um das „einfache“ Volk. Müsste es sich daher für genuin humanistische PolitikerInnen nicht allein schon aus Anstandsgründen verbieten, sich mit den Methoden ihrer Gegner gemein zu machen?

Frank Pörschke, Hattingen

Unüberlegt

betr.: „Hysterisches aus Tübingen“, taz vom 9. 8. 16

Einen Kommentar zu Palmers Aussagen auf die erste Seite zu stellen, das ist gut und wichtig.

Nur was in aller Welt soll heißen: „Noch immer sterben in Deutschland mehr Menschen durch betagte Geisterfahrer als durch syrische Flüchtlinge.“ Noch immer?! Da schwingt die Annahme mit: Aha, das ändert sich dann wohl bald. Und wenn es sich ändert, dann nicht wegen der Fahrtauglichkeit unserer Senior*in­nen. So war es sicher nicht gemeint! Dennoch gefährlich, solche Assoziationen in die Welt zu geben. Julia Goebel, Freiburg

Weg damit

betr.: „Palmer provoziert mal ­wieder“, taz vom 8. 8. 16

Vom bizarren „Mohrenkopf-Streit“ bis zu seinem „Wir schaffen das nicht“ positioniert sich Palmer von Facebook-Post zu Facebook-Post weiter nach rechts. Schon beim Problem Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit hat er nach demselben Schema argumentiert: verbieten, weg damit. So löst er die Probleme, die mehr bedürfen als öffentlicher Planung. Für die es soziale Kompetenz braucht.

Egal wie die Reaktionen derer ausfallen, die seiner Partei angehören oder die zunehmend lauter werdenden Beifallsrufe von rechts außen bis hin zu AfDlern: Palmer verfolgt unbeirrt seinen Kurs.

Auf Stimmen aus Baden-Württembergs Regierung hofft man vergebens. Der Rechtsruck ist gewollt. Palmer will eh nur noch Oberbürgermeister werden – und wenn was anderes, dann zu Daimler oder Porsche. Insofern kann man ihn wohl weiterhin Tabus brechen lassen. JÖRG RUPP, Malsch

Entsorgen

betr.: „Syrien ist für Regimegegner lebensgefährlich“, taz vom 9. 8. 16

Selbst wenn ein Politiker meint, mit kräftigen Parolen Protestwähler von der AfD weglocken zu können, selbst das bringt Boris Palmer nicht. Er steht anscheinend kaum zu den Prinzipien des Rechtsstaates. Mit fehlendem Respekt vor Opfern krimineller Handlungen sollen Straftäter wohl ohne Strafe bleiben, das wollen nicht mal Randparteien. Abschieben um des Abschiebens willen, das dient niemandem, außer den Kriminellen. Sein Vater, der Remstal-Rebell konnte noch besser rebellieren. Oder will Palmer mit seinem Abschiebevorschlag sagen, dass der Assad-Reststaat sowieso ein Unrechtsstaat ist, in den man ruhig Kriminelle entsorgen kann? Ekkehard Schröder,Potsdam

Pragmatismus

betr.: „Hysterisches aus Tübingen“, taz vom 9. 8. 16

Nachdem man sich in der Links-Partei einen verbalen Schlagabtausch mit Sahra Wagenknecht geliefert hat, scheint man nun auch bei den Grünen dasselbe vorzuhaben. Und schnell wird Politikern, die pragmatisch agieren und Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen, Rechtspopulismus vorgeworfen. So kann man in einer Demokratie nicht miteinander umgehen. Deshalb sollte man vielmehr nüchtern und sachlich über die Flüchtlingspolitik diskutieren und auch klarmachen, dass jeder Kriegsflüchtling bei uns willkommen ist, wenn er unsere Gesetze achtet und unser Gastrecht nicht missbraucht!

Thomas Henschke, Berlin

Steinzeitlich

betr.: „Boris Palmer provoziert mal wieder“, taz vom 9. 8. 16

In zivilisierten, aufgeklärten Gesellschaften wurden über Jahrhunderte hin Standards erkämpft, die uns von der steinzeitlichen Handlungsweise allmählich wegführen sollten. Die Menschenrechte sind die wichtigsten Errungenschaften. Sie gelten universal und für jeden Einzelnen. Selbstverständlich gehört ein Verbrechen bestraft – aber streng nach Recht und Gesetz. Das gilt für alle Menschen, nicht nur für einen Teil. Handeln wir anders, so verlassen wir die Zivilisation. Damit unterscheiden wir uns in der Konsequenz nicht mehr vom IS, von Diktatoren oder Gewaltherrschern. Unerlässlich ist in diesem Zusammenhang das Vorbild unserer Eliten. Wenn die Äußerungen von sich geben wie dieser selbstgerechte Boris Palmer, dann haben sie die humane und gerechte Ebene verlassen.

Fritz Lothar Winkelhoch, Gummersbach

Adelsdekadenz

betr.: „Das Aktionismusprogramm“, taz vom 11. 8. 16

Die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder abgeschafft, das Tragen der Burka verboten, die Polizei aufgerüstet werden. Razzien häufen sich, die ärztliche Schweigepflicht ist in Gefahr, die Bundeswehr soll auch im Inneren eingesetzt werden. Solche Ideen belegen die gefährliche Dekadenz des deutschen (Ursula von der Leyen) oder auch immigrierten (Thomas de Maizière) Adels! Dirk A. Müller,Lüneburg

Glaubwürdig

betr.: „Maximaler Stunk“, taz vom 9. 8. 16

Liebe Anja Maier, du schreibst: „Doch gerade gemessen an seiner Gescheitheit füttert er doch nur die alte Kleinbürgerfantasie von dem Problem, das durch Unsichtbarkeit gelöst werden soll.“ Kleinbürgerliches Empfinden und Denken ist eins, das aus Gründen der Abwehr zu einfachen Antworten neigt. Verfällst du nicht genau darin, wenn du Boris Palmer unterstellst, er habe kein Bewusstsein von der Komplexität des Problems? Warum unterziehst dudich nicht der Mühe, Antworten darauf zu finden, wie dem legitimen Gerechtigkeitsempfinden der Opfer entsprochen werden könnte? Boris Palmer wäre für mich (noch) glaubwürdiger, wenn er sich konsequent gegen Neoliberalismus und das Primat reiner Machtpolitik exponieren würde, weil hier die Ursachen auch des gesamtgesellschaftlichen Unbehagens darüber zu suchen sind, dass es nicht mehr gerecht zugeht. Reinhard Hoffmann,Berlin