Stefan Alberti fiebert beim nächtlichen Beachvolley-Olympiasieg vor dem Fernseher mit
: Der Muhammad Ali meiner Tage ist eine Berlinerin

Jede vierte deutsche Medaille in Rio sei made in Berlin, hat CDU-Mann Frank Henkel dieser Tage vorgerechnet, als er vier Wochen vor der Abgeordneten­hauswahl in Erinnerung rief, dass er – noch – nicht nur Innen-, sondern auch Sportsenator ist. Jedenfalls ist es tatsächlich eine gebürtige Berlinerin, die mich seit Tagen abends vor dem Fernseher wach gehalten hat und die mich an diesem Donnerstagmorgen ohne Not – Schulbeginn für die Kinder, früher Arbeitsbeginn – lange vor Sonnenaufgang aufstehen lässt.

Ältere Menschen erzählen, wie sie in den 70ern den Wecker stellten, um nachts in Schwarzweiß zu sehen, wie Muhammad Ali boxte. Der Ali meiner Tage ist eine Frau, heißt Laura, ist Beachvolleyballerin und nun Olympiasiegerin. Eigentlich hat sie auch noch einen Nachnamen, nämlich Ludwig. Aber den lassen die Kommentatoren so oft weg, dass auch ich vor dem Fernseher nur noch „Super, Laura, mach so weiter!“ brülle, wenn sie wieder einen schier unerreichbaren Ball hochgebaggert hat. Obwohl die Laura, die mit acht Jahren beim Köpenicker SC mit Volleyball begann, kein Teenie mehr ist, sondern eine Frau von 30 Jahren.

Laura ist im Finale!

Viertelfinale, Halbfinale, ich war immer mit dabei, wenn Laura spielte. Und super sauer, als die ARD mitten im Halbfinale zur Siegerehrung von Turner Hambüchen wegblendete, die man als Aufzeichnung hätte nachschieben können. Das war noch angenehm früh am Abend, aber weil Laura nun im Finale war und die Brasilianer meinten, das um Mitternacht Ortszeit ansetzen zu müssen, musste ich eben um fünf raus.

Für Usain Bolt bin ich nicht aufgestanden, das war mir nicht spannend genug, außerdem war ich noch vom 100-Meter-Frauen-Finale in der Nacht zuvor alle. Wieso lässt mich also diese Laura wieder den Wecker stellen? „Die guckt doch irre“, sagte beim Halbfinale die Dame neben mir, die Ephraim Kishon immer die beste Ehefrau von allen nannte. Das war natürlich bloßer Neid – auch wenn es schon furchterregend aussah, wenn Laura einen Urschrei loslässt, nachdem sie wieder einen Unerreichbaren gekriegt hat.

Es sind eben diese Hechtbagger, dieses Sich-in-den Sand-Werfen, das so begeistert, weil ich das, wie so viele Berliner, immer im Ostseestrandurlaub versuche. Der Unterschied zu Olympia ist zwar in Lichtjahren zu messen. Aber immerhin rechtfertigt es das Duzen – am Strand würde man ja auch nicht sagen: „Toll gespielt, Frau Ludwig!“