„Du hast mir den Auftrag gegeben!“

Heute steigen die beiden Kandidaten um die Nachfolge von Bürgermeister Henning Scherf in den Parteiring und beharken sich schon öffentlich. Ob die Show um die teure Mitgliederbefragung notwendig ist, bezweifeln einige Genossen

bremen taz ■ Wenn die SPD einen Bürgermeister sucht, dann muss es schon der AWD-Dome als Austragungsort für den parteiinternen Vorwahlkampf sein. Allerdings werden Fraktionschef Jens Böhrnsen und Bildungssenator Willi Lemke ihre Kräfte nicht im Saal messen, denn dort wird die Bühne für Marius Müller-Westernhagen aufgebaut. Die Genossen treffen sich um 19.30 Uhr im Foyer. Bis Samstag können die SPD-Mitglieder die Stimme für „ihren“ Kandidaten abgeben. Am Abend wird der Landesvorstand bekannt geben, wer Nachfolger des abtretenden Henning Scherf im Rathaus wird. Noch ist alles offen.

An der Basis machen beide Kandidaten Wind. Ortsvereinsvorsitzende telefonieren miteinander, jeder versucht, sich Mehrheiten zu organisieren. Dabei wollen die Kandidaten unterschiedliche Profile entwickeln.

Vor allem Böhrnsen möchte seine Rolle als unabhängiger Fraktionschef herausstreichen, wie im Mini-Fernsehduell am vergangenen Wochenende. Böhrnsen erklärte, er sei für die Erhaltung der Lehr- und Lernmittelfreiheit. Lemke kofferte zurück: „Jens, du warst doch im Koalitionsausschuss und hast mir einen Auftrag gegeben, zu überprüfen, wie wir die Eltern beteiligen können. Und ich finde es richtig.“

Ein Blick in die Akten beweist die Beweglichkeit von „Willi Wiesel“: Nach dem Protokoll der „Chefgespräche“ zur Vorbereitung des Koalitionsausschusses war es Bildungssenator Willi Lemke, der am 17. Februar dem Finanzsenator die „Aufhebung der Lehr- und Lernmittelfreiheit“ anbot. Wörtlich im Protokoll: „Bildung hält eine Aufhebung für möglich. Auswirkungen auf die Sozialhilfe müssen aber beachtet werden. Politisch durchsetzbar?“ Zitat Ende. Im Bildungsressort ist das Thema nicht neu. Schon 2003 hatte der Senat dem Koalitionsausschuss empfohlen, die „Überprüfung der bisherigen Regelung der Lernmittelfreiheit“ in seine Sparliste aufzunehmen.

Nach Meinung von Parteikennern wird Böhrnsen weiter versuchen, sich als Verteidiger der sozialdemokratischen Erbhöfe zu gerieren, die Lemke wegen der Haushaltsnotlage im Senat mit auf den Prüfstand stellte. So wird Böhrnsen deutlich machen, dass er stets gegen den Verkauf der Gewoba gewesen sei. Lemke hat dazu noch kein eindeutiges Statement abgegeben. Nun könnte auf ihn zurückfallen, dass es im Rathaus handfeste Pläne gab, die bremischen Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern.

Einige Genossen kritisieren derweil die teure Mitgliederbefragung – und zwar auch solche, die nicht machtstrategisch an den Erfolg „ihres“ Kandidaten denken. „Wir hätten auch gewählte Gremien gehabt, die eine solche Entscheidung hätten treffen können“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin, Cornelia Wiedemeyer. Wie teuer der innerparteiliche Wahlkampf tatsächlich wird, will oder kann man in der SPD nicht sagen. Auf jeden Fall fallen Kosten für die Versendung der Wahlbenachrichtigungen an: Jeder Brief kostet 95 Cent, alle 5.750 Parteimitglieder erhalten einen Umschlag. Außerdem muss die SPD die Miete für die Veranstaltungen der Lemke-Böhrnsen-Bühnenshow berappen. „Ich finde die Diskussion über die Kosten merkwürdig, diese demokratische Mitwirkungsmöglichkeit hat eben ihren Preis“, sagt Landesgeschäftsführer Roland Pahl, der bereits über 1.000 abgegebene Stimmen verzeichnet hat. „Die Partei ist munter und will solche Beteiligungsformen“, ergänzt er. Und auch andere führende Sozialdemokraten halten die Abstimmung für nötig. „Es geht um den wichtigsten Posten, den die SPD in Bremen zu vergeben hat“, sagt ein Bürgerschaftsabgeordneter. Fraktionskollegin Wiedemeyer sagt hingegen: „Das Geld hätte man besser anlegen können.“ ky/kawe