Die entscheidenden Schweißperlen

TV-Duelle Kennedy lässt grüßen: Es ist nicht unbedingt der Inhalt von Debatten, der am Ende über den Sieger entscheidet

NEW YORK taz | Wenn Debatten den Wahlausgang bestimmen würden, hätten die USA oft andere Präsidenten bekommen. Denn die letztlich unterlegenen Kandidaten waren oft besser. Zuletzt zeigte sich das bei der ersten Debatte von Präsident Barack Obama mit Gouverneur Mitt Romney im Jahr 2012, bei der Obama defensiv wirkte und Romney mit forschem Auftreten und Humor glänzte.

Was diese Erfahrung für Montagabend bedeutet, ist offen. Denn erstens verläuft vieles im Wahljahr 2016 anders als erwartet, und zweitens ist das Rennen zwischen Hillary Clinton und Donald Trump so knapp, dass Ereignisse außerhalb der politischen und Medien-Arena es jederzeit verändern könnten. Momentan hat Clinton auf nationaler Ebene und in den entscheidenden Swingstaaten noch einen Vorsprung.

Die Regeln von Debatten haben nichts mit Qualifikationen für den Alltag eines Präsidenten zu tun. Die erste Fernsehdebatte in den USA fand exakt 56 Jahre vor dem Duell zwischen Clinton und Trump statt. Am 26. 9 1960 kannte Vizepräsident Richard Nixon seine Themen besser als Senator John F. Kennedy. Doch während Nixon Schweißperlen auf der Stirn hatte und seinen Blick nervös durch den Raum flattern ließ, beherrschte Kennedy mit souveränem Lächeln und stetem Blick in die Kamera die Debatte. Kennedy wurde Präsident.

Anderthalb Jahrzehnte später bewiesen die beiden Kontrahenten Präsident Gerald Ford und Gouverneur Jimmy Carter, dass eine Präsidentendebatte auch schweigend verlaufen kann. In der 64. Minute ihrer Begegnung sorgte ein technisches Problem für einen Tonausfall, beide Männer blieben geschlagene 27 Minuten beinahe unbeweglich an ihren Pulten stehen, bis das Problem behoben war und sie ihre Abschlussstatements liefern konnten. „Wir haben die Audio verloren“, sagte im ersten Moment der Panne ein Journalist, „dies ist keine Verschwörung.“ Hinterher erklärten die Kandidaten, dass sie keine Schwäche zeigen wollten, indem sie ihren Platz verließen.

1984 witzelte Ronald Reagan bei seiner TV-Debatte mit dem 17 Jahre jüngeren Walter Mondale: „Ich will die Jugend und Unerfahrenheit meines Kontrahenten nicht politisch ausnutzen.“ Reagan war bereits schon bei seinem ersten Einzug ins Weiße Haus der älteste US-Präsident der Geschichte. Er war ein paar Monate älter als Clinton heute. Und einige Monate jünger als Trump. Dorothea Hahn