DER GERICHTSHOF IN DEN HAAG IGNORIERT DIE DIMENSION SEINER ARBEIT
: Nicht nachvollziehbare Leisetreterei

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag steht eigentlich an vorderster Front, was die Verfolgung schwerer Kriegsverbrechen weltweit angeht. Sein Mandat, das sich auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit bis hin zu Völkermord seit Mitte 2002 in den Unterzeichnerstaaten seines Gründungsprotokolls bezieht, berührt die Interessen der Täter in den blutigsten Bürgerkriegen der Welt, vor allem in Afrika. In Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und Sudan arbeitet Den Haag bereits; die Zentralafrikanische Republik hat ein Verfahren beantragt – vier Länder im Herzen einer grenzüberschreitenden Konfliktregion.

Umso erstaunlicher ist es, dass der Gerichtshof die politische Dimension seiner Arbeit in diesen Ländern einfach ignoriert. Den Haag gibt niemals Auskunft über den Stand oder auch nur die genaue Ausrichtung seiner Ermittlungen. Die 51 Namen mutmaßlicher Kriegsverbrecher im sudanesischen Darfur, die der UN-Sicherheitsrat dieses Jahr nach Den Haag zur Einleitung eines Verfahrens übermittelte, bleiben unter Verschluss. Im Kongo wird immer unklarer, ob die Rücksichtnahme auf den Friedensprozess überhaupt die Aufnahme eines Verfahrens gegen Warlords erlauben wird. Und was den Krieg im Norden Ugandas angeht, hat der Strafgerichtshof nun zwar angeblich Haftbefehle ausgestellt, veröffentlicht diese aber nicht und bestätigt weder die betroffenen Namen noch überhaupt die Existenz der Dokumente. Wer Aufschluss über seine Arbeit will, muss sich daran halten, für welche afrikanischen Sprachen der Gerichtshof gerade per Stellenanzeigen Übersetzer sucht.

Die vom Strafgerichtshof auf Bitten der ugandischen Regierung ins Visier genommenen Rebellen der christlich-fundamentalistischen „Lord’s Resistance Army“ (LRA) in Uganda gehören zu den brutalsten Bürgerkriegskämpfern der Welt. Je länger ihr Krieg andauert, desto verheerender werden die Schäden, die er anrichtet. Die LRA-Kämpfer eint kein politisches Programm und keine Unterstützung in der Bevölkerung, sondern allein die durch Terror erzwungene Loyalität zu ihrem Führer Joseph Kony. Sollte dieser getötet oder festgenommen werden, bräche die Bewegung vermutlich genauso rasch zusammen wie vor wenigen Jahren die Unita-Rebellion von Jonas Savimbi in Angola.

Es wäre also politisch geboten, öffentlich klarzustellen, dass die Führung der LRA international gesucht wird. Solange Den Haag diese Öffentlichkeit scheut, kann die Gruppierung ungestraft weitermachen. So trägt die Leisetreterei des Strafgerichtshofs zur Verlängerung eines der schlimmsten afrikanischen Kriege bei. DOMINIC JOHNSON