Freitaler Gewalt als Terror angeklagt

HASS Sie sollen Asylheime und ein linkes Wohnprojekt attackiert haben: Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen acht Rechte

Gewalt in Freital: ein Linken-Büro nach einem Anschlag Foto: dpa

Von Konrad Litschko

BERLIN taz | Die Bundesanwaltschaft bleibt dabei: Die Anschlagsserie von Freital war Rechtsterrorismus. Die obersten Strafverfolger der Republik legten acht sächsischen Verdächtigen nun ihre Anklage vor: wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, versuchten Mordes und weiterer Delikte.

Ab Juli 2015 sollen die sieben Männer und eine Frau eine ganze Serie an Straftaten in Freital verübt haben: Sie zündeten Sprengsätze vor zwei Flüchtlingsunterkünften, ein Syrer erlitt dabei Schnittwunden im Gesicht. Zudem gab es in Dresden einen Angriff auf ein linkes Wohnprojekt. In der gleichen Zeit erfolgten Angriffe und Drohungen gegen Flüchtlingshelfer und lokale Politiker. Das Auto eines Linken-Stadtrats wurde gesprengt. Auch diese Attacke wird in der Anklage nun der Freitaler Gruppe vorgeworfen.

Die anfangs ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte in den Attacken keinen Terrorismus gesehen. Als die Bundesanwaltschaft im April den Fall übernahm, war man überrascht: Man wisse nicht, warum Karlsruhe das Verfahren an sich ziehe. Die Bundesanwaltschaft unterstreicht nun den Terrorvorwurf mit seiner Anklage.

Die Ermittler stützen ihre Vorwürfe unter anderem auf Chatprotokolle, in denen die Gruppe recht unverhüllt ihre Aktionen besprach. Sie selbst sollen sich dort „Terroristen“ genannt haben. Ihren Sprengstoff betitelten sie als „Obst“: illegale Böller aus Tschechien. Ermittler beschlagnahmten davon bei den Angeklagten eine dreistellige Zahl.

Einige der im November 2015 und vergangenen April Festgenommenen, 18 bis 39 Jahre alt, gehörten zu einer selbst ernannten Bürgerwehr. Im Alltag gingen sie Berufen als Busfahrer, Altenpfleger oder Pizzabote nach. Abends planten sie offenbar ihre Anschläge. Als Rädelsführer macht die Bundesanwaltschaft Timo S. und Patrick F. aus. Zumindest S. pflegte offene Kontakte in die rechtsextreme Szene. Er besuchte seit Jahren Neonazi-Aufmärsche, tauchte auch bei den rassistischen Krawallen in Heidenau auf.

Die Stadt Freital begrüßte die Anklage. „Wir werten die Anklage als deutliches Signal, dass extremistische Gewalttäter, gleich welcher Art, mit der ganzen Härte des Gesetzes bekämpft werden“, sagte Stadtsprecher Matthias Weigel. Man hoffe, dass die Taten lückenlos aufgeklärt und mögliche Hintermänner identifiziert werden. „Dass diese Minderheit in unserer Stadt derartige Handlungen vollzogen und das Ansehen unserer Stadt in so hohem Maße nachhaltig beschädigt hat, macht uns noch immer sehr betroffen.“ Allerdings: Auch die Stadt hatte dem rechten Treiben lange zugesehen. Eine „nennenswerte“ Neonazi-Szene“ gebe es in der Stadt nicht, beteuerte Bürgermeister Uwe Rumburg (CDU) lange.

Die Terroranklage ist nun ein deutliches Gegensignal. Im vergangenen Jahr war bundesweit die Gewalt gegen Flüchtlinge explodiert. Mehr als 1.030 Straftaten gab es gegen Unterkünfte – im Vorjahr waren es 199. Generalbundesanwalt Peter Frank hatte ein „Gegenfanal“ gegen die Gewalt angekündigt, sobald dies in seine Zuständigkeit falle.

Die Angreifer nahmen den Tod von Menschen in Kauf, so eine Opferanwältin

Nach Bekanntwerden der zehnfachen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hatte die Bundesanwaltschaft nur die „Oldschool Society“ als Rechtsterroristen angeklagt. Die Gruppe soll Anschläge auf Asylunterkünfte geplant haben und steht seit April vor Gericht. Nun folgt Freital.

Die Anwältin Kristin Piertzyk, die den Syrer vertritt, der bei den Freitaler Sprengstoffattacken verletzt wurde, begrüßte die Anklage: Diese sei „stringent“. Die Taten seien rassistisch motiviert, ihre Ausführung sei organisiert gewesen und habe auch den Tod von Menschen in Kauf genommen. Dies, so Piertzyk, spreche für Rechtsterrorismus. Ein Verteidiger der Angeklagten argumentierte dagegen: Die Gewalt sei nicht zu beschönigen, der Terrorvorwurf aber überzogen.

Der Prozess soll im Frühjahr 2017 vor dem Oberlandesgericht Dresden beginnen – in einer im Bau befindlichen Flüchtlingsunterkunft. Alle sonstigen Gebäude sind laut Gericht zu klein, die Unterkunft werde für den Prozess eigens baulich angepasst und gesichert.

Derweil gab es einen neuerlichen Anschlag im 70 Kilometer von Freital entfernten Chemnitz. Unbekannte verübten einen Sprengstoffanschlag auf das Künstlerzentrum Lokomov. Das Schaufenster wurde zerstört, Scherben flogen durch den Raum. Personen, die sich im Gebäude befanden, wurden nicht verletzt. In dem Zentrum findet gerade ein Theaterprojekt über den NSU statt, der sich Ende der Neunziger in der Stadt versteckte.