Ein Filmfest ganz allein fürs Publikum

Kundenfreundlich Das Europäische Filmfestival Göttingen schielt nicht auf überregionale Aufmerksamkeit, sondern liefert den Filmfreunden der Stadt, was ihnen bisher entgangen ist

Selbst eine Aktrice des örtlichen Jungen Theaters kommt nicht zu ihrem Film

Für lokale Filmfestivals gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie spezialisieren sich auf Themenschwerpunkte, durch die sie das bei Förderanstalten so beliebte „Alleinstellungsmerkmal“ bekommen, oder sie werden konsequent für das Publikum in der Region gemacht.

Anders als in Braunschweig, Lübeck, Oldenburg oder Emden ist das Europäische Filmfestival Göttingen darauf ausgerichtet, Filme zu zeigen, die speziell in der Stadt noch nicht zu sehen waren. Ob sie schon auf anderen Festivals oder sogar schon in den Programmkinos der größeren Städte liefen, kümmert die Organisatoren kaum. Entsprechend hat das Festival wenig Außenwirkung. Aber bei den Cineasten der Studentenstadt Göttingen ist es sehr beliebt.

Denen kann es völlig egal sein, dass die Programmschiene „Cinema! Italia“ aus dem Filmpaket besteht, das die italienische Filmindustrie jedes Jahr auf eine Tour durch die Republik schickt. Und auch, dass Filme aus der Reihe „Europäische Premieren“ (!) wie „Welcome to Norway“ „Frantz“ und „Lobster“ ihren deutschen Kinostart schon hinter sich haben, gehört in Göttingen zur schon 37 Jahre langen Tradition. Mit zehn Tagen läuft das Festival ungewöhnlich lang, das Programm ist mit 39 Filmen übersichtlich. Denn sie werden auf nur zwei Leinwänden gezeigt: im Programmkino Lumière und dem umgebauten „Alfred-Hessel-Saal“ der alten Universitätsbibliothek.

Ein Schwerpunkt sind in diesem Jahr Filme aus Spanien. Es läuft der neue Film von Pedro Almodóvar „Julieta“, der in Cannes Premiere hatte. Und es werden 13 Produktionen aus dem Land präsentiert, die zwischen 2012 und 2016 gedreht wurden.

Der Eröffnungsfilm ist „El destierro – Niemandsland“ von Arturo Ruiz Serrano, der ihn zusammen mit dem Hauptdarsteller Eric Francés auch persönlich vorstellen wird. Ein junger Soldat und ein Priester kämpfen im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Francos. Zu ihnen stößt eine verwundete Polin aus einer der internationalen Brigaden. In einem eingeschneiten Fort entwickelt sich zwischen ihnen eine ungewöhnliche Dreiecksbeziehung, die durch die Kriegsbedingungen auf die Probe gestellt wird.

Die Bandbreite der spanischen Filme reicht von der Mediensatire „My Big Night“ über den düsteren Kriminalfilm „La isla mínima – Mörderhand“ und das Künstlerporträt „Paco de Lucía – Auf Tour“ bis zu dem Psychothriller „Musarañas – Blutsbande“, der mit drei Goyas ausgezeichnet wurde, dem spanischen Pendant zu den Oscars.

In der Reihe „Neues deutsches Kino“ werden fünf Spielfilme gezeigt. Darunter musste auch das Familiendrama „Lotte“ von Julius Schultheiß sein, denn die Hauptdarstellerin Karin Hanczewski gehörte zum Ensemble des Jungen Theaters der Stadt. Selbst kommen wird sie trotzdem nicht – Göttingen ist eben nicht Braunschweig.Wilfried Hippen

37. Europäisches Filmfestival Göttingen, 25. November bis 4. Dezember Kino Lumière und Alfred-Hessel-Saal in der alten Unibibliothek