Weihnachtsfeier, das Onlineressort lädt ins griechische Restaurant „Blaue Tische“ in Neukölln ein
: In der falschen Ausstellung

Ausgehen und Rumstehen

von Svenja Bednarczyk

Der Dezember ist der Monat des Suppenkomas. Der Freitag beginnt mit geschmorten Auberginen, Rote-Bete-Salat, Kartoffelspalten und frisch gebackenem Brot. Weihnachtsfeier. Diesmal ist es das Onlineressort, das ins griechische Restaurant „Blaue Tische“ in Neukölln lädt.

Freunde von mir gehen an diesem Abend tanzen, ich würde gerne mit, allein schon wegen dieser Kolumne. Nach dem Essen bestelle ich dafür einen Espresso, wie ich ihn am Nebentisch sehe. „Das ist kein Espresso, sondern griechischer Kaffee“, sagt der Hausherr beleidigt, als hätte ich Thessaloniki mit Turin verwechselt. Doch als die letzte Runde eingeläutet wird, ist da in mir noch zu viel Essen, um wegzugehen. Den anderen geht es nicht anders. Wir schaffen es gerade noch zum nächsten Kickertisch.

Samstag treffe P., um unserem gemeinsamem Hobby nachzugehen: Alliierte gucken. Beziehungsweise ihre Hinterlassenschaften in Kultur und Architektur zu besuchen.

Unser Ziel ist die Ausstellung „Der britische Blick: Deutschland – Erinnerungen einer Nation“ im Martin-Gropius-Bau. Ohne eine Zeile Beschreibungstext zu lesen, weiß ich, worum es geht. Fotos und Erinnerungsstücke britischer Alliierter aus ihrer Zeit in Deutschland werden ausgestellt. Was denn sonst? Die Unterstützung der Friede-Springer-Stiftung hält mich nicht davon ab, an dieser Vision zu zweifeln. 11 Euro kostet der Eintritt. Als wir den Raum betreten, erschlagen uns Deutschlandfahnen und ein Endlosvideo von jubelnden Deutschen zum Mauerfall. „Haben wir uns in der Ausstellung geirrt?“, frage ich P. Er nickt. Doch dann lesen wir zum ersten Mal, was Inhalt ist: Die Ausstellung zeige 200 Objekte, die während der letzten 600 Jahre in Deutschland entstanden sind und prägend seien für Kultur, Wirtschaft und Politik. „Eine Ausstellung des British Museum“. Scheiße, das ist also der britische Anteil. Weil der Eintritt zu teuer war, um einfach wieder umzudrehen, schauen wir uns die Deutschtümelei an. Eine Bronzeskulptur von Ernst Barlach, ein Zweispitz Napoleons, ein Bauhausaschenbecher, ein VW Käfer, ein Surfanzug, der bei einem Fluchtversuch aus der DDR getragen wurde.

Der kleinste Raum ist dem Nationalsozialismus gewidmet. Ausgestellt ist das Buchenwald-Tor mit der Inschrift „Jedem das Seine“, das von Franz Ehrlich, Bauhaus-Student und im KZ inhaftiert, entworfen wurde.

Den Beschreibungstafeln fällt es schwer, Worte für die „unentrinnbaren Erinnerungen Deutschlands“ zu finden. Man könne die Verbrechen der Nazis „nicht erklären“. Fehlen nur die Autobahnen als Teil der 200 glorreichen deutschen Erfindungen in der Ausstellung.

Als es um die Teilung Deutschlands geht, stört sich ein Besucher an der Formulierung des Museums: „Umgangssprachlich wurden die beiden Teile West- und Ostdeutschland genannt.“ „Das ist falsch“, sagt er zu seiner Begleitung. „Es gab Deutschland, das war die BRD, dann die Zone, das war die DDR, und Ostdeutschland, das waren die Gebiete jenseits der Grenze.“

P. und ich schwören uns, ab sofort nun Ausstellungsbeschreibungen vor dem Besuch zu lesen. Im Museumsshop rettet der Reiseführerkauf „Sowjetische Hinterlassenschaften in Berlin und Brandenburg“ meinen Tag. Der nächste Ausflug wird in das Nuklearwaffenlager in Stolzenhain gehen.

Und was rettet den Abend? Es folgt die nächste Weihnachtsfeier. Auch der Freundeskreis überlegt, tanzen zu gehen oder zu einer Geburtstagsparty. Doch dann gibt es Klöße, Rotkohl und vegane Seitan-Ente. Und der Samstag endet im Suppenkoma.