Erst obdachlos, dann gefeuert

3.000 Angestellte der Stadtverwaltung von New Orleans verlieren ihren Job. Die Stadt hat kein Geld mehr, um sie zu bezahlen. Die Infrastruktur verbessert sich allmählich, sogar die Post findet ihren Weg in die vom Hurrikan „Katrina“ zerstörte Stadt

Wer noch nicht wieder zum Dienst aufgefordert wurde, ist entlassen

VON BERND PICKERT

3.000 Angestellte der Stadtverwaltung von New Orleans verlieren ihre Arbeit, sagte Bürgermeister Ray Nagin am Dienstag, die Stadt habe nach den Verwüstungen des Hurrikans „Katrina“ vor gut einem Monat keinerlei Steuereinnahmen mehr, um das Personal zu bezahlen. Mit den Entlassungen wolle er fünf bis acht Millionen Dollar Personalkosten monatlich einsparen.

Nicht von den Streichungen betroffen sind laut Nagin Polizei, Feuerwehr und sonstige Rettungs- und Notdienste. Wer genau entlassen werden soll, vermochte der Bürgermeister nicht zu präzisieren. Er riet aber allen, die bislang noch keine Aufforderung erhalten hätten, wieder bei der Arbeit zu erscheinen, sich als entlassen zu betrachten. Wer Dienstwagen, Mobiltelefone oder andere öffentliche Ausrüstungsgegenstände benutze, solle sie unverzüglich zurückgeben.

Alle Versuche der Stadtverwaltungen, über Anleihen oder Kredite die Zahlungsfähigkeit der noch immer größtenteils zerstörten Stadt wiederherzustellen, seien fehlgeschlagen, sagte Nagin. Allerdings sei ein 50-Millionen-Dollar-Kredit in Vorbereitung. Dennoch deutete Nagin an, weitere Einsparungen könnten notwendig werden. Die jetzt Entlassenen sollten sich keine Hoffnungen auf Wiedereinstellung machen. Wie viele der jetzt Gekündigten bereits durch den Wirbelsturm ihren Besitz verloren haben, vermochte niemand zu beziffern.

Gefragt, ob er selbst sich das Gehalt gekürzt habe, wich Nagin aus. Bei den Neuwahlen im Februar nächsten Jahres werde man sehen, ob die Bürger ihm eine 100-prozentige Gehaltskürzung bescheren, sagte er.

Die Nachricht der Kündigung von rund der Hälfte aller Angestellten der Stadtverwaltung stand im Widerspruch zum Versuch Nagins, New Orleans hoffnungsvoll als eine Stadt im Wiederaufbau zu zeichnen. Tatsächlich gibt es leichte Fortschritte: Seit Montag sind einige Schulen wieder geöffnet, und immer mehr Innenstadtbezirke verfügen wieder über Wasserversorgung. Allerdings ist in vielen Gebieten noch vorgeschrieben, das Wasser vor dem Verzehr abzukochen. Zwar konnten viele Pumpen inzwischen repariert werden, doch sind noch viele Leitungen aufgrund von Lecks verschmutzt. Die Stromversorgung funktioniert nur in wenigen Teilen der Stadt.

Die Postzustellung ist vielerorts wieder hergestellt – wenngleich nicht in die zerstörten Häuser. Zurückgekehrte Anwohner können vielmehr ihre Briefe bei bestimmten Postämtern abholen. Fünf Wochen lang waren alle Sendungen für die Krisenregion in Houston und Baton Rouge gestapelt worden.

Für jene großen Gebiete der Stadt, in denen die Wohnhäuser wochenlang bis zum Dach unter Wasser standen, ist jedoch kein Wiederaufbau in Sicht. Hier suchen Anwohner in dem, was unter Schlamm übrig ist, nach brauchbaren Dingen – für ganze Viertel bleibt nur der vollständige Abriss. Allgemein wird geschätzt, dass New Orleans zukünftig 200.000 bis 250.000 EinwohnerInnen haben wird – rund die Hälfte der Größe, die die Stadt vor „Katrina“ hatte.