Geburtshelfer des kleinen Kinos

Filmemacher Die Bremer Firma Creaclic betreibt „kreative Medienpädagogik“, indem sie die Projekte von anderen ermöglicht. So etwa den Film von jungen Muslimen in Achim, der mit Vorurteilen aufräumen soll

Dreh in der Moschee: Junge Muslime aus Achim bei der Arbeit zu ihrem Dokumentarfilm Foto: Creaclic

von Wilfried Hippen

Sie wollen das Zerrbild korrigieren, das in Deutschland über Muslime vorherrscht: „Jung, gläubig, aktiv“ heißt der eine knappe halbe Stunde lange Film, den eine Gruppe von jungen Muslimen in der niedersächsischen Kleinstadt Achim in diesem Jahr gedreht hat.

Die meisten der Filmemacher sind junge Frauen mit Kopftüchern, die selbstbewusst ihre Religion und ihre Lebensweise präsentieren. Dass sie dabei die Black-Power-Hymne „Young, Gifted and Black“ von Nina Simone paraphrasierten, war den Teenagern gar nicht klar. Doch auch die Stoßrichtung ihres Films ähnelt der des Popsong aus den späten 1960er-Jahren, durch den Simone das Selbstbewusstsein junger Afroamerikanern stärken wollte.

In der Dokumentation sind ganz unterschiedliche Szenen zusammengetragen: Eine der jungen Frauen, Büsra Yoldas, ist Jahrgangssprecherin an ihrem Gymnasium und wenn sie im Film davon spricht, später einmal Abgeordnete werden zu wollen, wird deutlich, dass dies eine durchaus realistische Einschätzung ihres Potenzials ist. Inszeniert ist hingegen eine Szene, in der eine andere junge Frau auf einer öffentlichen Toi­lette für die Klofrau gehalten wird, nur weil sie ein Kopftuch trägt. Später dann gehen die Protagonistinnen mit der Kamera in eine Moschee, um zu zeigen, wie dort ihre Religion ausgeübt und gebetet wird.

Der Film ist informativ, kurzweilig und erstaunlich einfallsreich inszeniert. So ist sein eigenes Making-Off gleich in ihm integriert. Die Protagonisten wechseln zwischendurch die Perspektive, zeigen wie zwei von ihnen eine andere mit Kamera und Puschelmikro aufnehmen.

Nun wird „Jung, gläubig, aktiv“ nicht nur in Achimer Schulen, auf Tagungen oder in muslimischen Gemeinden gezeigt. Man kann den Film im Internet auf Vimeo sehen und vor ein paar Wochen hat er auf dem Filmfestival „Screening“ in Koblenz den Preis in der Kategorie „Medienpädagogik“ gewonnen.

Die jungen Macherinnen sind entsprechend stolz auf „ihren“ Film. Doch ermöglicht hat ihn das Team der kleinen Firma „Creaclic“ in Bremen. Diese hat sich darauf spezialisiert, Projekte zu realisieren, in denen alle Beteiligten so gleichberechtigt wie möglich mitarbeiten. Das Besondere daran ist, dass sie sowohl einen medienpädagogischen Ansatz wie auch künstlerische Ambitionen haben. Die Filme, die sie unter anderem mit Kindern, jungen Migranten und einer inklusiven Gruppe machen, sollen den Menschen Spaß am Prozess des Filmemachens bereiten – und sie sollen dabei das Handwerk in der praktischen Arbeit lernen. Außerdem sollen die Filme dann auch noch so gut sein, dass sie ihr eigenes Publikum finden.

„Jung, gläubig, aktiv“ ist dafür ein gutes, aber auch unübliches Beispiel. Die Gruppe von jungen Muslimen wollte von sich aus diesen Film machen und sie hatten genaue Vorstellungen davon, wovon er handeln und wie er aussehen sollte. Das Team von „Creaclic“ brachte ihnen dann die Grundfähigkeiten des Filmemachens bei, sodass sie Kamera und Mikro bedienen, eine Sequenz einrichten und inszenieren konnten. Grundlegende Entscheidungen der Dramaturgie wurden aber von den Bremer Profis getroffen, die den Film dann auch geschnitten haben.

„Creaclic“ besteht aus den Gründern Hermann Böhm und Paulina Cortés sowie der Medienpädagogin Lisa Jürgensen. Fast alle ihrer Projekte beginnen am Nullpunkt mit einer Idee. So etwa ihr Dokumentarfilm „Neue Liebe“, den sie zusammen mit jungen Migranten in Cuxhaven gedreht haben. Die Projektteilnehmer waren zwischen elf und 18 Jahren alt und lebten erst seit Kurzem in Deutschland.

Die jungen Muslime hatten genaue Vorstellungen, wie ihr Film werden sollte

Sie besuchten zusammen einen Deutschkurs und nachdem sie an einem Theaterworkshop teilgenommen hatten, konnten sie selbst entscheiden, wen und wie sie in den inszenierten Szenen des Films spielen würden. Das Titellied haben sie mit einem Musiker komponiert und auch sonst wurden sie in die kreative Arbeit eingebunden.

Die jüngste Teilnehmerin an einem Projekt von „Creaclic“ ist gerade fünf Jahre alt. Für das Projekt „Bücherhelden“, das sie zusammen mit der Stadtbibliothek Bremen entwickelten, gingen Böhm und Cortés in das Bremer Stadtviertel Osterholz-Tenever, wo sie im vergangenen Sommer drei Wochen lang mit Kindern Filmtrailer zu deren Lieblingsbüchern drehten.

Auch hier nahmen sie sich selbst bei der Arbeit soviel wie möglich zurück und ließen die Kinder Figuren und Kulissen basteln, die dann vor der Kamera in kleinen Puppenspielen animiert wurden. Einige Kinder spielten etwas aus den Büchern nach, andere erzählten, was sie daran begeistert.

Das Trio von „Creaclic“ arbeitet zur Zeit an fünfzehn verschiedenen Projekten, zu denen etwa die „Breminauten“ zählen: ein kleiner filmischer Stadtführer durch Bremen für Kinder und Jugendliche, die gerade neu in die Stadt gezogen sind. Er wird in verschiedenen Sprachen wie arabisch, türkisch und spanisch vertont. Viel Erfindungsreichtum ist dafür nötig, all diese Projekte zu finanzieren. Die kleine Firma muss dafür immer wieder Kooperationspartner wie Stiftungen, Bundesministerien und städtische Initiativen finden.