Europa an Afrika: Bleibt weg!

DOSSIERAuf dem EU-Gipfel werden „Migrationspartnerschaften“ mit afrikanischen Staaten vorangetrieben. Klingt gut. Die taz hat recherchiert, was die EU damit bezweckt: die möglichst komplette Abschottung gegen Flucht und Zuwanderung aus Afrika▶SEITE 2–7

BERLIN taz | Der vorweihnachtliche Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ist traditionell Anlass für die EU, Gemeinsamkeiten zu bekräftigen – oder eben Dissens. Dieses Jahr ist Afrika und Flucht das Konsensthema.

Die meisten europäischen Regierungen sind sich einig: Es müssen weniger Flüchtlinge nach Europa kommen, damit die Rechtspopulisten nicht noch stärker werden und die EU nicht zerbricht. Und weil perspektivisch der Migrationsdruck aus Afrika am größten ist, steht der verarmte Nachbarkontinent im Zentrum der Bemühungen, Flüchtlinge und Migranten gleich an der Quelle aufzuhalten – „damit die Flüchtlinge gar nicht erst Libyen erreichen, sondern damit wir die Migration bereits stoppen können“, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern in Brüssel sagte. Merkel äußerte sich anlässlich der Anwesenheit von Nigers Präsident Mahamadou Issoufou, den die Kanzlerin erst im Oktober selbst besucht hatte.

Issoufou unterzeichnete mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Vereinbarung: Für Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, gibt es Hilfsprojekte im Umfang von 610 Millionen Euro. Im Gegenzug soll „die unkontrollierte Einwanderung nach Europa gedrosselt und illegal ankommende Migranten in ihr Heimatland zurückgeschickt“ werden, wie es heißt. Am Sonntag war eine ähnliche Vereinbarung mit Mali getroffen worden – inzwischen dementiert Malis Regierung allerdings scharf, dass es sich dabei um ein „Rücknahmeabkommen“ für abgelehnte Asylbewerber handle.

Für Mittwochabend wurde erwartet, dass der EU-Gipfel in seiner Abschlusserklärung die Bedeutung solcher „Migrationspartnerschaften“ betont und die EU-Mitglieder zu verstärktem Engagement auffordert. Geld gegen Migrationsverhinderung ist allerdings nur die sichtbarste Dimension dieser neuen europäischen Afrikapolitik. Es geht auch um Aufrüstung der innerafrikanischen Grenzen, Vervielfachung von Abschiebungen und die europäische Unterstützung für Regime, die ihren Bürgern am effektivsten die Mobilität nehmen.

Die taz veröffentlicht heute auf sechs Sonderseiten die wichtigsten Ergebnisse ihrer mehrmonatigen Recherche über Europas neue Grenzen in Afrika.

Dominic Johnson

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Wer an der Grenzabschottung verdient SEITEN 6–

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