Kettensägenmassaker in Haar

Prozess I Eine Frau soll ihren Freund mit einer Kreissäge zerstückelt und in ihrem Haus in München vergraben haben. Den Mord beschreibt sie in ihrem Tagebuch

Wein und Marihuana haben den Alltag bestimmt

Aus München Dominik Baur

Die ungeplante Geräuschkulisse wirkt makaber: Aus dem anliegenden Parkgelände hört man den Lärm einer Motorsäge, während im Sitzungssaal B175 vor dem Münchner Landgericht I ein Verbrechen verhandelt wird, das das Zeug zu einem Splattermovie hat.

Das Corpus Delicti: eine Handkreissäge.

Was vor acht Jahren in einem kleinen Einfamilienhaus im Münchner Vorort Haar passierte, zog sogar die Aufmerksamkeit britischer Zeitungen auf sich: Eine sexverrückte Kreissägenkillerin, so berichtete etwa die Daily Mail, habe ihren Lover enthauptet, nachdem er sich in eine andere Frau verliebt habe. Die habe er bei einer der regelmäßigen Orgien im „Hippiehaus“ kennengelernt.

Die Staatsanwaltschaft stellt den Tathergang etwas nüchterner dar, wenn auch nicht weniger grausam: Im Dezember 2008 soll die damals 24-jährige Pädagogikstudentin Gabriele P. ihren Freund Alexander H. in ihrem Haus mit einer Handkreissäge umgebracht haben. Der 28-Jährige war offenbar wehrlos, da er sich in Erwartung eines erotischen Spiels an Händen und Füßen hatte fesseln lassen und eine abgeklebte Taucherbrille trug. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft trat der Tod sehr schnell ein, nachdem die Frau ihrem Opfer mit der Säge den Brustkorb aufschnitt. Vermutlich sei er schon tot gewesen, als sie ihm auch noch den Kopf abtrennte.

Ans Tageslicht kam die Tat allerdings erst vor etwa einem Jahr, als die Polizei nach einem Hinweis einer Frau aus dem Bekanntenkreis von Gabriele P. im Garten des Einfamilienhauses die verscharrte Leiche des Opfers fand. Die Frau habe „vom Hörensagen“ von der Tat erfahren. Zuvor galt Alexander H., der in der Anklageschrift auch Sebastian genannt wird, als verschwunden. Seinen Adoptiveltern, die zeitweise auch einen Privatdetektiv mit der Suche nach ihrem Sohn beauftragt hatten, wie auch seiner leiblichen Mutter war offenbar erzählt worden, er sei mit einer neuen Freundin nach Rumänien durchgebrannt.

Gabriele P. ließ die Leiche indes rund ein halbes Jahr am Tatort liegen, bis ihr neuer Freund den Toten während ihrer Abwesenheit zufällig entdeckte. Statt die Polizei zu verständigen, vergruben sie ihn gemeinsam mit einem dritten Bekannten, einem Landschaftsgärtner, im Garten. Die beiden Männer wurden bereits im vergangenen September wegen Strafvereitelung zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehungsweise zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Zum Prozess ist auch die leibliche Mutter des Opfers, Thea E., vom Bodensee angereist. „Ich hätte der Gabi mal gern in die Augen gesehen“, sagt die 63-Jährige. Dieser Wunsch bleibt ihr zunächst verwehrt. Die Angeklagte verbirgt ihr Gesicht mit einem Blatt Papier, während die Kameras im Saal sind. Danach kehrt sie dem Zuschauerraum durchgängig den Rücken. Man sieht langes, leicht gelocktes brünettes Haar, mehr nicht.

P. gibt zu Beginn der Verhandlung Auskunft zu ihrer Person, wirkt verschüchtert, spricht leise, ihre Stimme ist hoch. Ihrer Erzählung nach führten das Opfer und sie über Jahre hinweg ein Leben wie unter Betäubung. Wein und Marihuana hätten den Alltag bestimmt. Wenn es um konkrete Zeitpunkte geht, gibt die Angeklagte oft an, sich nicht zu erinnern.

Thea E. sitzt im Zuschauerraum und schüttelt den Kopf. „Unglaublich“, flüstert sie. In der Pause stellt sie sich vor die Kameras und erzählt, dass diese Frau auf sie sehr unnatürlich wirke. P. sei eine „dominante, kraftvolle Frau“ gewesen. Kurz vor Alexanders Tod seien die beiden bei ihr zu Besuch gewesen. Da habe Gabriele P. eine eigenartige Ansage gemacht: Sie fände es gut, wenn ihr Freund mal für ein Dreivierteljahr auf jeden Kontakt zur leiblichen Mutter wie auch zu seiner Adoptivfamilie verzichten würde.

Thea E. wurde, anders als die Adoptivfamilie des Opfers, nicht zur Nebenklage zugelassen, deshalb versucht sie nun zumindest über die Presse Gehör zu finden.

Dass die Tat so lange geheim bleiben konnte, ist erstaunlich. So sollen sich in dem Einfamilienhaus, das die Frau von ihrer Großmutter geerbt hatte, zur Tatzeit zwar keine weiteren Menschen aufgehalten haben. Das Haus diente jedoch auch als Wohngemeinschaft, damals wohnten dort noch zwei weitere junge Frauen. Zudem war das Opfer selbst einer der WG-BewohnerInnen, sein Verschwinden hätte also auffallen müssen.

Dass sich die Ermittler trotz der langen Zeit, die seit der Tat verstrichen war, dennoch ein recht konkretes Bild vom Tat­hergang machen konnten, ist einem besonderen Beweismittel zu verdanken, das sie in dem Haus fand: dem Tagebuch von Gabriele P. Darin hatte die Frau die Tat geschildert. Für das Gericht kommt es jetzt vor allem auf das Motiv an – und darauf, inwieweit die Tat geplant war.

Als sich die Angeklagte am Nachmittag zum Tathergang und ihrem Intimleben äußert, bleibt die Öffentlichkeit ausgeschlossen. P.s Anwältin sieht die „Persönlichkeitssphäre unverhältnismäßig beeinträchtigt“. Auch das Opfer habe über seinen Tod hinaus Persönlichkeitsrechte.

Das Gericht hat zunächst sieben Verhandlungstage angesetzt, das Urteil soll Mitte März fallen. Gabriele P. droht eine lebenslange Haftstrafe.