WOCHENSCHNACK
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Dank, Kritik, Ergänzungen

GEMISCHTES Wie reden wir über Rassismus, was macht Dobrindt, was mutet die Regierung Flüchtlingen zu, und ist Ceta zu legitimieren?

Notwendiger Protest Foto: imago

Reden über „POC“?

betr.: „War da was?“, taz vom 21. 2. 17

Herzlichen Dank für den interessanten Beitrag von Mark Terkessidis – und die elegante Sprache. Ich habe fast alle Beiträge zur Rassismusdebatte mit großem Interesse gelesen. Vielfach störte mich jedoch der mit englischen Ausdrücken durchsetzte Sprachduktus. Auffällig dabei, dass vor allem viele Schlüsselbegriffe nur auf Englisch verfügbar schienen, sodass ich mich fragte: Warum nicht ganz auf Englisch schreiben, das ist dann einfach schöner. Sie schreiben konsequent auf Deutsch, zum Beispiel von kritischem Weißsein, das ist gewöhnungsbedürftig, sicher. Eine mit englischen Fachbegriffen gespickte Sprache jedoch bleibt distanziert, da sie aufgesetzt wirkt wie eine Business-Management-Broschüre (sic!) oder akademisch.

Es ist daher eine Aufgabe, das im Englischen verfügbare Vokabular zu übersetzen und zu entwickeln für das Deutsche.

Sie machen auf diese Problem aufmerksam, indem sie den Begriff „Person of Color“ nicht verwenden, sondern gleich die Abkürzung „POC“. Nein, wir wollen, denke ich, nicht in Zukunft über POCs reden, sondern wir brauchen dafür ein vernünftiges Wort. Gibt es dazu Vorschläge aus der deutschen Rassismusdebatte?

Wichtig in diesem Zusammenhang auch die klare Erkenntnis: Rassismus gab und gibt es auch gegen Weiße (Juden, „Untermenschen“, usw.) und zwischen Nichtweißen. Auch damit gilt es umzugehen. SILKE KARCHER, Berlin

Überschatten

betr.: „War da was?“, taz vom 21. 2. 17

Danke aus vollem Herzen für deinen so guten und so wichtigen Beitrag zum Thema fehlende Erinnerungskultur im Antirassismus in Deutschland: In dieser Zeit ist es sehr wichtig sich zu erinnern, damit es breitere Politisierung geben mag. In Deutschland ist natürlich wegen der Schoah das Feld so, dass es extrem schwierig ist, Rassismus zu thematisieren und nicht wieder diese Überschatten zu reaktivieren, die sowieso gerade wieder so mächtig werden.

Die Kämpfe der Geflüchteten und für die Geflüchteten können nicht ersetzen, dass wir gemeinsame Kämpfe formulieren. Ich habe durch die Bewegungen für Migration mit den Geflüchteten erst verstanden, wie stark die kollektive Blockade durch den NS unser Bewusstsein gegenüber den Schichten der kolo­nialen Geschichte bestimmt.

Aber in Hinblick auf die gemeinsame Zukunft braucht es auch Identifikationsangebote als Basis für die, die sich den Nationalisten entgegenstellen wollen und die andere ansprechen wollen, auch solche, die nichtakademische Diskurse kennen.

In Bezug darauf hatte sich mir der Begriff Global Citizen aufgedrängt. Ich glaube, dass die vielfältigen jeweils örtlich differenzierten Geschichten von Kolonialismen und Rassismen sich erst auf der Grundlage solcher gemeinsamen Basis genauer entfalten können, um bearbeitet zu werden, und dass viele andere Ansätze sonst eben auf individualistische Politik hinauslaufen, also sehr leicht weggefegt werden können, wenn die Rechte im Aufwind ist und zusammen mit dem weiter herrschenden Neoliberalismus die existenziellen Bedingungen der Kämpfe so stark zuspitzt, dass Solidarität für viele existenziell schwerer wird wirksam zu praktizieren im Angesicht der strukturellen Gewalt (Repression, Abschiebung, Grenzregime etc. pp.) RUTH LUSCHNAT, Berlin

Vernebelt

betr.: „Neuer Ärger für Dobrindt“, taz vom 18./19. 2. 17

Die Bundesregierung möchte in den nächsten Jahren einen größeren Geldbetrag in das Fernstraßennetz investieren (etwa 4 Milliarden Euro im Jahr). Statt dieses Geld direkt dem allgemeinen Haushalt zu entnehmen, soll von allen deutschen Pkw-Besitzern eine jährliche Pkw-Maut für die Benutzung von Autobahnen und Bundesstraßen erhoben und auf das zweckgebundene Konto einer „Verkehrsinfrastrukturabgabe“ überwiesen werden. Um den deutschen Pkw-Besitzer nicht zu belasten, ist geplant, ihm die Maut über Erniedrigung der Kfz-Steuer zurückzuerstatten. Für ausländische Pkw sind Vignetten vorgesehen. Verwaltungskosten vermindern den für den Straßenausbau zur Verfügung stehenden Betrag.

Wegen der vorgesehenen Erniedrigung der Kfz-Steuer kommt das Geld für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur nicht vom Pkw-Besitzer – es wird zwangsläufig dem allgemeinen Haushalt entnommen. Diese Tatsache wird durch eine komplizierte Prozedur vernebelt. Als Folge fehlt das Geld dem allgemeinen Haushalt an anderer Stelle. Damit zahlt jeder Deutsche für die Benutzung der Fernstraßen durch Pkw – egal ob er viel, wenig oder gar nicht Auto fährt (im Schnitt etwa 40 Euro pro Person und Jahr).

Man kann sich all das sparen, wenn man der Finanzierung die von den einzelnen Fahrzeugen benötigte Verkehrsfläche zugrunde legt. Wer nicht fährt, braucht dafür auch keine Fläche, die gebaut und unterhalten werden muss. Wer viel fährt, braucht viel Fläche und viel Treibstoff. Damit wäre es am einfachsten, die Mineralölsteuer (heute „Energiesteuer“) um den benötigten Betrag zu erhöhen und diesen Betrag per Gesetz zweckgebunden zu verwenden (Vorschlag des VCD). Die Bemessung am Treibstoffverbrauch würde die gewünschte ökologische Komponente ganz einfach integrieren.

HANS-JÜRGEN HECKEMANN, Dresden

Ein Trugschluss

betr.: „Ab nach Afghanistan“, taz vom 23. 2. 17

Die schnellere Abschiebung von Asylbewerbern und die Verschärfung der Asylgesetze machen die Herkunftsländer auch nicht sicherer und es bleibt zu hinterfragen, ob die Personen von der Bundesregierung auch in Afghanistan und den anderen ach so sicheren Herkunftsländer leben würden, was sie von den Flüchtlingen verlangen?! Es ist ein Trugschluss, Afghanistan als sicher zu bezeichnen! Wenn Afghanistan sicher ist, dann kann unsere Verteidigungsministerin Frau von der Leyen auch die Bundeswehrtruppen aus Afghanistan abziehen! Ansonsten ist alles nur eine Schönfärberei!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Tunnelblick

betr.: „Verdrängte Krise“, taz vom 16. 2. 17

Der Kommentar von Eric Bonse greift in einem wesentlichen Punkt zu kurz. Denn die Legitimationskrise der EU manifestiert sich weniger darin, welche politische Ebene am Ende für die Handelsverträge eigentlich zuständig ist, sondern vor allem in der unzureichenden Dialogfähigkeit, sich überhaupt mit der Kritik an Ceta inhaltlich auseinanderzusetzen. Schließlich offenbart es ein erhebliches Demokratiedefizit im Denken, wenn zum Beispiel die zuständige EU-Kommissarin, Cecilia Malmström, Argumente dadurch zu entkräften versucht, dass sie jene einfach als „Mythen“ bezeichnet, obwohl es ebenfalls viele Wissenschaftler gibt, die eine angebliche Vorbildfunktion des Abkommens mit Kanada sowie dessen großen Bruders TTIP für eine gerechtere Globalisierung schon durch das Klagerecht von Konzernen gegenüber Staaten stark bezweifeln.

Deshalb bleibt das größte Problem der Tunnelblick, mit dem ausgerechnet die EU-Kommission selbst die Reputation der historischen europäischen Idee gefährdet! RASMUS PH. HELT, Hamburg