Türkei

Ein manipulierter Sieg Erdoğans? Die Opposition spricht von Wahl­fälschung, auch internationale Beobachter monieren das Referendum

Erdoğans Verfassung

Systemwechsel Wie das neue Grundgesetz die Gewaltenteilung ändert

ISTANBUL afp/taz | Die neue Verfassung der Türkei erhöht die Macht des Präsidenten und mindert den Einfluss des Parlaments. Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen:

Der Präsident wird zum Chef der Exekutive, das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Künftig soll der Präsident selbst das Kabinett leiten und die Minister auswählen, ohne dabei der Zustimmung des Parlaments zu bedürfen.

Das Parlament soll das Recht verlieren, Minister ihres Amtes zu entheben, stattdessen kann es sie künftig nur noch schriftlich befragen – nicht aber den Präsidenten. Im Fall von kriminellen Verfehlungen kann es den Präsidenten absetzen, doch sind die Hürden sehr hoch.

Der Präsident, der bisher zu politischer Neutralität verpflichtet war, darf künftig seine Parteizugehörigkeit behalten. Kritiker befürchten, dass dies dazu führen wird, dass der Präsident zugleich Chef der größten Partei ist – und damit als Mehrheitsführer das Parlament kontrolliert.

Der Präsident darf nur für zwei je fünfjährige Amtszeiten gewählt werden. Diese Zählung würde aber nach Inkrafttreten der Reform 2019 neu beginnen, sodass Erdoğan noch zweimal antreten könnte. Gibt es in der zweiten Amtszeit vorgezogene Neuwahlen, darf der Präsident ein drittes Mal kandidieren.

Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sollen künftig gleichzeitig stattfinden. Dies soll sicherstellen, dass der Präsident derselben Partei angehört, die im Parlament die Mehrheit hat. Kritiker sehen in diesem Fall eine Kontrolle der Regierung nicht mehr gewährleistet.

Der Präsident soll mehr Kontrolle über die Justiz erhalten. Er würde künftig sechs der 13 Mitglieder des Rats der Richter und Staatsanwälte ernennen, der über die Besetzung wichtiger Justizämter entscheidet. Die anderen wählt demnach das Parlament aus – wo der Präsident aber Mehrheitsführer ist.

Die Zahl der Abgeordneten im Parlament soll von 550 auf 600 erhöht werden. Künftig könnten sich zudem Bürger bereits mit 18 Jahren zur Wahl stellen – statt bisher mit 25. Die Zehnprozenthürde bleibt.

Die Verfassungsänderung soll im Wesentlichen bei den nächsten regulären Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahr 2019 in Kraft treten. Die beiden Artikel zur Reform des Justizgremiums und zur Parteimitgliedschaft des Präsidenten sollen sofort in Kraft treten.