Singende Ziegenhirten,verbrannte Finger

ESSENMalakeh Jazmati hatte in Syrien eine eigene Kochshow auf einem Assad-kritischen Exilsender. Nun betreibt sie einen Cateringservice in Berlin – und stellt in ihrem Kochbuch die syrische Küche vor

Malakeh Jazmati Foto: VS Verlag

von Nora Voit

Für Malakeh Jazmati gibt es nur ein Mittel gegen Heimweh: kochen. Die junge Syrerin folgte ihrem Mann, der bereits im Jahr zuvor aus Syrien geflohen war, 2015 nach Deutschland. Seither leben die beiden zusammen im Sharehouse Refugio in Berlin-Neukölln, einem Gemeinschaftshaus, das über 40 Geflüchteten und Einheimischen verschiedener Kulturen und Religionen ein Zuhause bietet. „Wir mögen einander in vielen Dingen erst einmal fremd sein, aber die Sprache des Essens ist universell“, das ist Jazmatis Credo.

Zu Lunch und Launch lud die 27-Jährige am vergangenen Montag ins Refugio, als sie ihr Buch „Malakeh – Sehnsuchtsrezepte aus meiner syrischen Heimat“ vorstellte. Zwei Wünsche habe sie sich in der Fremde erfüllen wollen, den einen hält an jenem Nachmittag ihre Schwägerin auf dem Arm— es ist Sohn Yussuf Hassan, den sie vor wenigen Monaten in Berlin zur Welt brachte. Der zweite ist das eigene Kochbuch mit (kulinarischen) Erinnerungen an die schmerzlich vermisste Heimat.

Auf Kostproben daraus musste man nicht lange warten. Kibbeh gab es, goldbraune Bulgur-Bällchen mit Rindfleischfüllung, liebevoll drapiert neben Shawarma, gefalteten Teigfladen mit gebratenem Hühnchen. Vegetarierinnen und Vegetarier durften einen Salat mit Minze und Granatapfel und Teigtaschen mit syrischem Käse und Sesam kosten. Dazu Shourbeh Addas, Linsensuppe und Fladenbrot-Chips. Und die Snacks sahen tatsächlich genauso köstlich aus wie auf den Fotos in ihrem Kochbuch.

Königin der Kochkunst

Malakeh Jazmati – ihr Vorname heißt zu Deutsch Königin – ist eine Frau mit Ausstrahlung. In Syrien hatte sie ihre eigene TV-Kochshow auf einem Assad-kritischen Exilsender. Videos auf YouTube, in denen sie mit Prominenten über Kultur und Politik plaudert, während sie Auberginen füllt, Reis brät oder Klößchen formt, sahen bis zu 100.000 Menschen. „Königin der Kochkunst“ wurde sie genannt. Heute passen ihre größten Schätze aus der vergangenen Zeit in kleine Schraubgläser: Es sind syrische Gewürzmischungen.

Weil auch Neu- und Altberliner ihr Essen liebten, gründete sie hier zusammen mit Mann Mohammad den Cateringservice „Levante Gourmet“. Für bis zu 600 Menschen pro Veranstaltung kocht das Team mittlerweile regelmäßig – was einer durchschnittlich großen Hochzeitsgesellschaft im arabischen Raum entspräche. „Even Merkel likes it“, beweist ein Veranstaltungsfoto, auf dem die Köchin vor ihrem leer geräumten Buffet neben der Bundeskanzlerin posiert.

Jazmati will Falafel und Co. nicht einfach als Massenware auf bunten Tellern präsentieren – sie will Geschichten erzählen. Geschichten hinter den Rezepten, Geschichten aus und von Syrien und seiner Kultur. Von ihrer Heimatstadt Damaskus, von Dörfern, in denen Menschen mit Tieren in einer sorgsamen Gemeinschaft leben, vom Stellenwert des gemeinsamen Essens mit der Familie, ohne die man sich mit Brot und Käse begnügen würde. So kam die Idee vom eigenen Kochbuch.

Die Gerichte darin sind mal aufwendig, mal simpel, fast immer traditionell syrisch. Dass es nicht nur um Rezepte geht, zeigen liebevoll aufbereitete Anekdoten. So erfahren die Leserinnen und Leser von einem Gericht, das „verbrannte Finger“ heißt, von singenden Ziegenhirten und dass es ein eigenes Wort für die Handbewegung bei der Kibbeh-Herstellung gibt. Jazmatis Kochbuch ist mehr als eine Rezeptesammlung: Beim Durchblättern hat man das Gefühl, die Sehnsucht einer ganzen Nation spüren zu können.

„Malakeh – Sehnsuchtsrezepte aus meiner syrischen Heimat“. ZS Verlag, München, erhältlich ab 9. Juni 2017, 34 Euro