„Eine Dauerkrise“

Griechenland EU-Parlamentarier und Journalist Giorgos Kyrtsos über die Streiks seiner Kollegen

Giorgos Kyrtsos

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Der Europapolitiker und Ex-Journalist war Chefredakteur der konservativen Tageszeitung Eleftheros Typos und Verleger der kostenlosen Wochenzeitung Free Sunday.

Seit 2014 vertritt er die griechischen Konservativen im EU-Parlament.

Journalisten in ganz Griechenland haben von Dienstag auf Mittwoch ihre Arbeit niedergelegt. An dem 24-Stunden-Streik nehmen auch staatliche Medien teil, darunter die Nachrichtenagentur Ana. Der Streik ist ein Protest gegen erneute Sparmaßnahmen. Als Voraussetzung für zusätzliche Milliardenhilfen will die griechische Regierung weitere 4,9 Milliarden Euro einsparen.

taz: Herr Kyrtsos, sind sie jetzt Politiker oder noch Journalist?

Jorgos Kyrtsos: „Einmal Journalist, immer Journalist“ lautet mein Motto. Und ich sage Ihnen, dass ein Journalist im EU-Parlament gut aufgehoben ist. Ich schreibe jedenfalls noch viel mehr als früher.

Dann haben Sie Verständnis für die Kollegen, die in Griechenland streiken?

Selbstverständlich. Ich habe großen Respekt vor Menschen die für wenig Geld, unter miserablen Bedingungen und oft unversichert arbeiten müssen. Auch wenn ich früher als Verleger oft Streit mit Journalisten hatte. Einige habe ich sogar entlassen. Aber das waren halt andere Zeiten: Ein gescheiter Kollege konnte es damals mit zwei oder drei Jobs locker auf 5.000 brutto im Monat bringen.

Aber die Medienkrise in Griechenland hat schon lange vor der Schuldenkrise zugeschlagen . . .

Der Journalismus steckt in einer Dauerkrise. Manchmal ist es auch eine Krise der Qualität, und daran hatte ich auch selbst einen Anteil. Bekannt wurde ich ja in den Achtzigern mit der Zeitung Eleftheros Typos. Sie stand für die Blütezeit der Tabloid-Blätter, die weniger auf Qualität setzten und ihre Auflagen ständig steigerten.

Das klingt nach Selbstkritik.

Ich habe kein Problem mit Selbstkritik. Mit 65 kann ich Tacheles reden. Aber die Geschichte geht weiter: In den neunziger Jahren haben Tabloid-Blätter ihre Marktführerschaft an das Privatfernsehen verloren, das war noch einmal ein Qualitätsverlust. Dazu kamen ab 2008 die Krise und der Totaleinbruch der Werbeeinnahmen. Als Verleger einer Gratiszeitung war ich damals in einer schwierigen Lage.

In Griechenland heißt es, die Journalisten hätten die wichtigste Nachricht der letzten 50 Jahre verschlafen: den Ausbruch der Schuldenkrise.

Nicht nur Medienvertreter, auch Politiker haben diese Nachricht verschlafen. Fast alle haben sich in Sicherheit gewiegt, dass die alten, guten Zeiten weitergehen. Und auch die Privatwirtschaft hat nicht die nötigen Anpassungen an die Anforderungen der Währungsunion vorgenommen.

Bleiben wir bei den Journalisten: Konnten oder wollten sie die Krise nicht voraussehen? 2003 schrieben Sie in einem Buch von „unlauteren Verflechtungen“ zwischen Medien und Politik . . .

Da ging es um Verflechtungen zwischen Politik und einigen Medienunternehmern, die ihre Interessen durchsetzen wollen – etwa eine Sonderbehandlung bei öffentlichen Ausschreibungen oder eine günstige Kreditfinanzierung. Das erleben wir aber nicht nur in Griechenland – wenn ich an Silvio Berlusconi oder an Murdoch und Toni Blair denke. Was die Rolle der Journalisten betrifft: Ab 2000 haben durchaus viele Kollegen vor dem Ungemach gewarnt. Dazu zähle ich mich auch. Ich erinnere mich, wie ich als Chef einer konservativen Zeitung den Versuch des früheren sozialistischen Premiers Kostas Simitis unterstützt habe, das Rentensystem zu reformieren. Doch letzten Endes konnte Simitis die Gewerkschaft und seine eigenen Leute nicht überzeugen.

Interview Jannis Papadimitriou