Rückzugsorte für Biene & Co

Agrar I Auf „ökologischen Vorrangflächen“ dürfen Landwirte ab dem nächsten Jahr keine Pestizide mehr versprühen, wenn sie Direktzahlungen von der EU erhalten wollen

Ein Landwirt sprüht den Unkrautvernichter Glyphosat auf ein Feld bei Göttingen Foto: Steven Lüdtke/dpa

Von Heike Holdinghausen

BERLIN taz | Auf Europas Feldern wird künftig ein bisschen weniger Gift versprüht. Fünf Prozent ihrer Äcker müssen die Landwirte ab kommenden Januar frei von Ackergiften halten; nach dem Rat hat am Mittwoch auch das EU-Parlament einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt.

Bei den fünf Prozent handelt es sich um sogenannte ökologische Vorrangflächen, auf denen die Bauern Hecken oder Blühstreifen anlegen oder Zwischenfrüchte wie Eiweißpflanzen säen müssen, um EU-Direktzahlungen zu erhalten. Bislang war es möglich, auf einer solchen Fläche etwa Hülsenfrüchte anzubauen und diese dann mit Giften gegen Pilzbefall zu behandeln. Dies ist künftig verboten.

„Das ist ein wichtiges politisches Signal“, sagt Angelika Lischka, Agrarexpertin des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). 2020 stehe die nächste große Agrarreform in der EU an, die Entscheidung lasse auf eine ökologischere Landwirtschaftspolitik hoffen. Auch der WWF zeigte sich erfreut: „Die Entscheidung ist unglaublich wichtig“, sagt Albert Wotke, bei der Umweltorganisation zuständig für Naturschutz in Deutschland. Die bisherige Regelung sei widersinnig gewesen: „Ausgerechnet auf ökologischen Vorrangflächen durften Ackergifte eingesetzt werden“, so Wotke. Das Verschwinden der Insekten sei so dramatisch, sagt der Naturschutzexperte, „da ist jede Maßnahme wertvoll“. Heute gebe es rund 80 Prozent weniger Insekten als vor dreißig Jahren. „Verantwortlich sind Pestizide und Überdüngung“, so Wotke. Das Pestizidverbot auf Vorrangflächen sei aber nur ein erster Schritt in die richtige Richtung: „Wir brauchen bessere Zulassungsverfahren für die Ackergifte“, so Wotke, „es muss berücksichtigt werden, dass sie sich im Boden anhäufen können“.

Der einflussreiche Europaabgeordnete Albert Deß (CSU) indes bedauerte die Entscheidung des Parlaments. Sie trage nicht zum Umweltschutz bei, teilte er am Mittwoch mit. Deß hatte versucht, das Verbot zu verhindern, und dafür im Mai im Agrarausschuss des Parlaments erfolgreich geworben. Bei der gestrigen Abstimmung im Plenum unterlagen die Gegner denkbar knapp. Das Verbot gefährde das Vorhaben der EU, sich von Ei­weiß­importen wie Soja unabhängiger zu machen, fürchtet Deß: „Im Ergebnis muss das Tierfutter aus Südamerika importiert werden“, so Deß.

Das Verbot ist Teil eines größeren Pakets der EU-Kommission, das unter anderem neue Regeln für Zahlungen an Junglandwirte oder für den Hanfanbau beinhaltet.