Er würde ja Steuern zahlen, wenn…

Kenia So schlecht steht das Land gar nicht da. Die Steuerbehörden tun einiges. Wenn nur die vielen legalen Schlupflöcher nicht wären

Markt in Nairobi: Die hier arbeiten, haben wenig von den Investitionsanreizen und Steuerbefreiungen, die für Ebbe in den Staatskassen sorgen Foto: Bernat Armangue/ap

AUS NAIROBI Ilona Eveleens

„Steuern zahlen?“ Der Verkäufer in einem Baugeschäft am Rande der kenianischen Hauptstadt Nairobi schüttelt energisch den Kopf. „Ich habe nicht viel“, sagt er. „Und da soll ich mein schwer verdientes Geld an die Regierung geben? Die da oben bedienen sich doch nur selbst aus dem Steuertopf.“

Sein Kumpel, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung gedruckt sehen will, vermietet Autos. Auch er zahlt keine Steuern. Ob er keine Angst hat, erwischt zu werden? „Mit Bargeld geht alles, die Wagen habe ich unter dem Namen von Familienmitgliedern registriert“, sagt er und grinst.

Genau wie die Bewohner anderer Länder zahlen auch die Kenianer ungern Steuern. Aber das Land braucht dringend mehr Mittel, um sich weiterzuentwickeln: Infrastruktur, Bildung, Gesundheitswesen – für all das ist viel Geld nötig. „Natürlich will ich Schulen und Krankenhäuser, auch gute Straßen. Ich würde ja auch zahlen“, sagt der Autovermieter. „Aber ich will eine Garantie dafür, dass meine Steuern nicht in der Tasche dieser Politiker landen, die ohnehin schon reich sind.“

Die Behörden und das Steueramt (KRA) Kenias haben in den letzten Jahren einiges unternommen, um ihre Kassen aufzufüllen. Betrugen die Steuereinnahmen im Finanzjahr 2012/2013 noch 763 Millionen Dollar, kam 2016/2017 fast das Doppelte rein: 1,3 Milliarden Dollar.

„Die Reformen haben also funktioniert“, sagt Jason Braganza vom Tax Justice Network Africa (TJNA). Die Pan-Afrikanische Organisation setzt sich für ein faires, verantwortungsvolles und fortschrittliches Steuersystem ein. Inzwischen ist Kenia – nach Südafrika – das Land mit den höchsten Steuereinnahmen auf dem Kontinent.

Bei seinem Besuch in Nairobi im Februar hat Entwicklungsminister Gerd Müller Hilfe aus Deutschland zum Aufbau einer Akademie für den Kampf gegen Steuerflucht und Finanzkriminalität angeboten. Dieses Projekt gilt als Teil eines sogenannten Marshallplans für Afrika. Investitionen in die Länder Afrikas und des Nahen Ostens sollen dazu führen, dass weniger Bewohner anderswo Arbeit suchen.

„Das kann ich mir doch gar nicht leisten“

Braganza von TNJA ist vom Nutzen so einer Akademie allerdings nicht recht überzeugt. „Viel ist bereits getan und erreicht worden, um die Kenianer zum Steuerzahlen zu bewegen.“ Problematisch seien aber legale Schlupflöcher und Steuerferien – und dagegen müsse mehr geschehen.

Kenia wirbt mit Gewinnsteuerbefreiung für ein bis zwei Jahre und anderen attraktiven Angeboten um Investoren. Durch solche Steueranreize entgingen dem Land 2012 mehr als 1 Milliarde Dollar, 6 Millionen Dollar dürfte es durch illegale Steuervermeidung verloren haben.

Angesichts dieser Entwicklung sagt Braganza: „Wir sollen nicht wieder an den grünen Tisch zurückkehren und bei null anfangen, wie es der deutsche Marshallplan offenbar vorsieht, sondern auf bereits Erreichtem aufbauen.“

Wer durch Nairobi läuft, trifft unzählige Händler, die ihre Ware aus einem Kiosk und auf einem Tuch oder Karton auf dem Boden anbieten. Handwerker schreinern am Straßenrand Möbel. Gemüse und Früchte schmecken nach den Abgasen der Autos. Es wird gefeilscht und bar bezahlt.

Nach Informationen der UN-Wirtschaftskommission für Afrika waren 2015 beinahe 12 Millionen der insgesamt 45 Millionen Kenianer im informellen Sektor – außerhalb der Landwirtschaft – beschäftigt. Sie verdienen wenig, zahlen kaum Steuern. „Zwar ist die Zahl der Beschäftigten riesig, aber es sind kleine Fische. Für die Steuerbehörde ist es sehr schwierig, sie zu erwischen“, sagt Braganza.

Die Frau, die in einer Holzbude am Straßenrand Obstsalat verkauft, findet es unverständlich, dass sie Steuern zahlen soll: Bei einem Monatseinkommen von umgerechnet 100 Euro soll sie zehn Euro abführen. „Das kann ich mir doch gar nicht leisten bei diesem Hungerlohn.“ Nairobi ist teuer, mit 3 Euro pro Tag kommt eine Familie nicht über die Runden.

Viel Geld entgeht Kenias Steuerbehörde im Hafen von Mombasa am Indischen Ozean. Dort gelingt es Importeuren mit der Hilfe von Hafenarbeitern und KRA-Beamten immer wieder, zollfrei Container mit teuren Autos oder andere Waren hereinzuschmuggeln, auf denen hohe Importsteuern liegen. Voriges Jahr im Juni und Juli verschwanden von hier mehr als 100 Container.

Die KRA schätzt, dass der Staatskasse Kenias damit etwa 9 Millionen Dollar verloren gingen. Immerhin, sagen KRA-Beamte, schnappen die Behörden inzwischen mehr Steuerkriminelle als früher: die 100 Container seien zwar verschwunden – aber 41.000 legal durch die Zollabfertigung abgefertigt worden.