Stadtgespräch
: Bars und Benzol

Die USA geben eine große Militärbasis in Südkorea auf. Doch sie hinterlassen massive Spuren

Fabian Kretschmer aus Seoul

Wer den unscheinbaren Militärcheckpoint in Yongsan passiert, lässt den Betondschungel der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ein für alle Mal hinter sich: Das Stakkato der Autohupen weicht friedlichem Vogelgezwitscher, statt Apartmentsiedlungen reihen sich einstöckige Bungalows mit feinsäuberlichen Vorgärten an baumgesäumten Alleen aneinander. Die 300 Hektar große US-Militärbasis Yongsan ist das perfekte Abziehbild der amerikanischen Suburbia – inklusive Bowlingbahn, Baseballfeld und Burgerläden.

Diesen Monat jedoch geht eine über sechs Jahrzehnte alte Ära zu Ende: Die Soldaten ziehen ins 70 Kilometer südlich gelegene Pyeongtaek ab, wo derzeit der größte US-Stützpunkt im Ausland entsteht.

„Es ist höchste Zeit, dass der Stützpunkt endlich schließt“, sagt der amerikanische Autor Geoffrey Cain, der mehrere Jahre in der unmittelbaren Nachbarschaft gelebt hat: „Wie würden sich wohl New Yorker, Berliner oder Londoner fühlen, wenn sich eine riesige Militärbasis von der Größe einer Kleinstadt in ihr Stadtzentrum einkerben würde? Wir haben schließlich nicht mehr 1945.“

Die Abzug der US-Soldaten aus Seoul war lange eine Art Running Gag, vergleichbar mit dem sich ewig verzögernden Bau des Flughafens Berlin-Schönefeld. Jahrzehntelang verhandelten die US-Streitkräfte mit der Seou­ler Zentralregierung, bis man sich endlich auf einen Abzug im Jahr 2008 einigte. Nur wurde ­dieser bisher immer und immer ­wieder verschoben. Dabei ging es auch um die Aufteilung der ­im­mensen Kosten von knapp 13 Mil­liarden Euro.

Ohne Frage ist die Militärbasis Yongsan ein politisch aufgeladener Ort wie kaum ein zweiter auf der ko­rea­nischen Halbinsel: Für die Konservativen symbolisiert er die glorreiche transatlantische Allianz, die auf den Koreakrieg Anfang der 50er Jahre zurückgeht. Zudem gilt Yongsan auch als Lebensversicherung gegen Nordkorea. Die Präsenz von mehreren Tausend US-Soldaten würde das Kim-Regime vor einem Raketenangriff gegen Seoul abschrecken, so ihre Logik.

Für die Linke hingegen ist die US-Militärbasis Ausdruck einer nationalen Demütigung. 1910 bauten die japanischen Kolonialherren auf dem Gebiet eine erste Garnison. Nach der Unabhängigkeit folgten schließlich die neuen Streitkräfte aus dem Westen, die sich zuweilen auch wie Besatzungsmächte gaben. Die Prostitutionscamps etwa, die sich bis in die 80er Jahre entlang der US-Basis ansiedelten, waren Orte der Ausbeutung und Gewaltverbrechen. Ebenso gut dokumentiert sind die Umweltverbrechen der US-Amerikaner: Mehrere Zehntausend Liter Öl sind über die Jahre in den Boden eingesickert, Formaldehyd wurde in den Han-Fluss abgeleitet, und noch immer ist der Benzolwert rund um Yongsan 500-mal so hoch wie die Norm.

Doch die US-Basis war für die Koreaner stets auch ein Tor zur Außenwelt. „Als Kind habe ich gedacht: Die Basis ist ein Paradies für ganz besondere Leute“, erinnert sich Sewoong Koo (36), der Anfang der 90er Jahre von seinem damaligen Englischnachhilfelehrer auf die Basis eingeladen wurde. Besonders die Kantine ist ihm in Erinnerung geblieben: Pommes, Burger und Pizza waren damals noch Raritäten. Wegen strikter Importbestimmungen gab es schließlich kaum Waren aus dem westlichen Ausland.

„Itaewon“ nennt sich das einst verrufene Ausländerviertel, wo die GIs ihr Geld in Nachtclubs ausgeben. Es gibt wohl keinen anderen Ort auf der Welt, an dem das muslimische Viertel, der Rotlichtbezirk und die Schwulenbars so eng nebeneinanderliegen. In einer der homogensten Gesellschaften der Welt ist Itaewon ein Mikrokosmos der Diversität. Längst jedoch werden die Kneipen der GIs von hippen Coffeeshops verdrängt.

Seouls Bürgermeister Park Won Soon hat versprochen, zumindest zwei Drittel des 300 Hektar großen Yongsan-Militärgeländes zu einem Freizeitpark umzugestalten. „Meine einzige Hoffnung ist, dass kein Bauunternehmer auftaucht und eine weitere hässliche Apartmentsiedlung hinbaut“, sagt Autor Caine.