Abgeordnete stimmen für Militäreinsatz vor Libyen

Italien Das Parlament in Rom hat sich dafür ausgesprochen, die Marine zu schicken. Soldaten sollen in libyschen Hoheitsgewässern dabei helfen, Schlepper zu bekämpfen und Flüchtlinge abzufangen. Menschenrechtler sind empört

24 Kilometer von Sabratha in Libyen entfernt warten diese Flüchtlinge auf Rettung Foto: Santi Palacios/ap

BERLIN taz | Italien will seine Marine an die libysche Küste schicken, um Schlepper zu bekämpfen und Flüchtlinge abzufangen. Am Mittwoch stimmten 328 von 630 Abgeordnete für den Militär­einsatz. Am Nachmittag sprach sich auch der Senat mit 170 Jastimmen dafür aus.

Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni nannte den Einsatz einen möglichen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise. Die Mailänder Zeitung Corriere della Sera berichtet, für den Einsatz seien ein Kommandoschiff und fünf kleinere Schiffe vorgesehen. Unterstützt würden sie mit Flugzeugen, Hubschraubern und Drohnen. Entschieden sei, so die Zeitung, dass alle von den italienischen Schiffen abgefangenen Flüchtlinge nach Libyen zurückgebracht würden.

„Statt Schiffe zu senden, um Menschenleben zu retten und verzweifelten Migranten und Flüchtlingen Schutz zu geben, bereitet sich Italien darauf vor, Kriegsschiffe zu schicken, um diese zurückzudrängen“, kritisierte der Geschäftsführer von AI Europa, John Dalhuisen.

Schon seit 2015 hatte die EU Schiffe an die libysche Küste entsenden wollen. Vor allem die Anti-Schlepper-Mission EUNAVFOR MED, später umbenannt in Operation „Sophia“, sollte dort aktiv werden. Doch bislang hatte Libyen dies nicht gestattet. Die EU-nahe Regierung des Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch konnte sich in dieser Frage nicht gegen das Parlament und die Gegenregierung in Tobruk durchsetzen.

In der vergangenen Woche bat al-Sarradsch dann überraschend doch um „technische und logistische Unterstützung“ durch italienische Soldaten. Zuvor hatten sich al-Sarradsch und sein Rivale, der Armeeführer Chalifa Haftar bei einem Treffen in Paris auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt.

Die derzeit im Mittelmeer kreuzenden fünf Schiffe und vier Flugzeuge der EU-Antischleppermission Operation „Sophia“ müssen trotzdem noch warten. Bislang hat Libyen ausdrücklich nur Italien um bilaterale Hilfe gebeten – ein enormer Affront gegen die EU. Vermutlich verlangt Libyen mehr Geld: Bislang soll das Land etwa nur 116 Millionen Euro aus dem EU-Nothilfefonds für Afrika bekommen – im Verhältnis zu seiner Bedeutung als Transitstaat ein sehr geringer Betrag.

Libyen hat nur Italien um bilaterale Hilfe gebeten – ein Affront gegen die EU

Völlig offen ist, was mit Schleppern geschehen soll, die während Einsätzen in den libyschen Hoheitsgewässern aufgegriffen werden: Können sie den libyschen Behörden übergeben werden, auch wenn völlig unklar ist, was mit ihnen geschieht? Andererseits: Gibt es eine Grundlage, um sie nach Italien zu bringen und etwa vor Gericht zu stellen?

Die italienischen Behörden haben derweil ein Schiff der deutschen Nichtregierungsorganisation Jugend Rettet beschlagnahmt, das Hilfseinsätze für Flüchtlinge im Mittelmeer vornahm. Die „Iuventa“ sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Migration beschlagnahmt worden, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Demnach wurde das Schiff vor der Insel Lampedusa festgesetzt. Christian Jakob