Portrait
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Griff versehentlich einen Teenager an: Flohkrebs Foto: Victoria Museum

Aasfresser als Wadenbeißer

Es war kein schöner Anblick: Mit blutüberströmten Beinen kam der 16-jährige Sam Kanizay am Sonntagabend in Melbourne ins Krankenhaus. Was den Australier so zugerichtet hatte, war da noch unbekannt. Klar war nur: Es musste ein Meerestier gewesen sein. Denn begonnen hatte die Blutung aus hunderten kleinen Löchern in Unterschenkel und Fuß, als der Teenager nach einem anstrengenden Football-Match seine Beine am Strand des Melbourner Stadteils Brighton im Wasser kühlte.

Um die Ursache zu ermitteln, ging Sams Vater am nächsten Tag mit einem Kescher voller Fleisch zurück an den Strand – und fing damit tausende winziger Kreaturen. Genefor Walker-Smith, Meeresbiologin am Victoria Museum in Melbourne, identifizierte sie als Flohkrebse (Amphipoden) aus der Familie der Lysisianssidae.

Flohkrebse sind eine Ordnung der Krebstiere; die meist wenige Millimeter bis zwei Zentimeter großen Tiere sind eng mit Asseln verwandt und kommen in fast allen Gewässern vor. Die Tiere, die den Teenager gebissen haben, ernähren sich normalerweise von Aas – und spielen eine wichtige Rolle im maritimen Ökosystem. „Wenn wir sie nicht hätten, wäre das Meer voll von toten, sich zersetzenden Fischen“, sagt Walker-Smith. Die Flohkrebse besiedeln die Kadaver in großen Gruppen und fressen sie so in kurzer Zeit auf.

Lebende Tiere oder Menschen gehören normalerweise nicht zu ihrer Beute. Dass sie den Teenager attackierten, war nach Ansicht der Biologin „einfach Pech“: Weil er seine Beine kühlen wollte, stand er rund eine halbe Stunde still im Wasser. Vermutlich hatte er zuvor schon eine kleine Verletzung, die die Tiere anlockte, die sich wohl in der Nähe an einem toten Fisch aufhielten. Und weil das Wasser extrem kalt war, spürte er keinen Schmerz. Bleibende Schäden muss Sam nicht befürchten – die Krebse sind nicht giftig.

In Deutschland muss man übrigens nicht mit blutenden Beinen rechnen. Die hier lebenden Flohkrebse, etwa der Schlickkrebs im Watt, der Strandfloh im Spülsaum oder der Bachflohkrebs in sauberen Fließgewässern, ernähren sich überwiegend von Algen und Kleinstlebewesen. Malte Kreutzfeldt