KUNST

KunstKito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Letzte Woche bin ich zum Wasserturmplatz im Prenzlauer Berg gefahren. Auf der Knaackstraße hat Randolf Müller (der jahrelange Mitbetreiber und Barkeeper der legendären alten Luxus-Bar auf der Belforter) kürzlich seine neue Bar eröffnet. Der Ausgehort am Nicht-Ort heißt Müller und ist über Google nicht zu finden. Sehr sympathisch. Im monatlichen Rhythmus wird hier auch Kunst gezeigt. Im Moment erhellt die Lichtbox „Sensation and Reflection“ der Berliner Künstlerin Irène Hug mit ihrem gedämpften Notausgangslicht den schummrigen Raum. Doch das grüne Piktogramm-Männchen ist nicht wie sonst auf der Flucht, sondern grübelt und hat einen Heureka-Moment. Der Titel des Leuchtobjekts beziehe sich auf die Erkenntnistheorie des englischen Philosophen John Locke, wird mir ganz beiläufig erklärt – das Kunstwerk funktioniert aber auch einfach so in der Berliner Nacht (bis Ende August, tägl. ab 18 Uhr, Knaackstr. 14).

Sensationell gut bleiben die Bilder von Michel Majerus. Die Galerie neugeriemschneider zeigt gerade seine „aluminium paintings“. Der Maler und Installationskünstler starb durch einen tragischen Unfall im November 2002 im Alter von nur 35 Jahren. Majerus, der seinerzeit wie ein Besessener gearbeitet haben muss, scherte sich wenig um malereispezifische Traditionen, kombinierte das Malen mit Sieb- und Digitaldrucktechniken und schichtete verschiedene Ebenen in den Bildern übereinander. Ihm gelang es, die zynische Energie und die Freude an der Künstlichkeit der frühen 90er Jahre in Billboard-große Formate und raumgreifende Installationen zu packen. Es bleibt jedoch nicht bei einer affirmativen Umarmung der acidschwangeren Zeitgeist-Buntheit, sondern es kommt zu einer gründlichen Durchdringung. Vielleicht sieht diese Kunst deshalb auch jetzt noch so frappierend gut aus (bis 26. 8., Di–Sa 11–18, Linienstr. 155).

Geheimnisvoll erscheinen hingegen die schwarz lackierten Aluminium- und Edelstahlobjekte von Gerold Miller, die unter dem Titel „Amplificateur d’espace“ in der Galerie Mehdi Chouakri am Fasanenplatz zu sehen sind. Den französischen Ausstellungstitel könnte man vielleicht mit „Raumverstärker“ übersetzen – was einen unwillkürlich an einen alten Blumfeld-Song über einen sich selbst schreibenden Text denken lässt, „der kein Behälter-Sarg sein mag“. Womöglich kämpfen auch Millers Objekte tief in ihrer pechschwarzen Mitte einen stummen Kampf mit ihrer Inhaltlichkeit? Doch anders als jenes alte Distelmeyer-Stück lösen sie sich nicht langsam auf, sondern bleiben auf ewig ihrer strengen, minimalistischen Form verhaftet (bis 2. 9., Di.–Fr. 11–13 u. 14–18 Uhr, Fasanenstr. 61).