Wie weiter?

FARBENSPIELE Künftige Koalitionen in Niedersachsen dürften nicht nur eine Frage der Inhalte werden. Die Folgen des „Verrats“ auf Bündnisse jenseits von Rot-Grün und Schwarz-Gelb wiegen schwer

Etwas mehr als zwei Monate dauert es noch, ehe in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt wird. Welche Parteien danach miteinander koalieren, ist derzeit weniger eine Frage der Inhalte. Der „Verrat“ von Elke Twesten hat keinen Graben zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb geöffnet, aber einen bestehenden noch vertieft.

Stephan Weil (SPD) positioniert sich im begonnenen Wahlkampf klar für eine Wiederauflage der Koalition mit den Grünen: „Rot-Grün bleibt meine Wunschkoalition“, sagte er der Deutschen Presseagentur (dpa). Und Stefan Wenzel (Grüne), bisher stellvertretender Ministerpräsident, sagt: „Wir würden auch wieder mit einer Stimme Mehrheit regieren.“ Allerdings ist es derzeit mehr als unwahrscheinlich, dass Rot-Grün auch nur in die Nähe einer Mehrheit kommt: Eine Wahlumfrage im Auftrag der NDR sah dieses Modell am Donnerstag bei nur 41 Prozent gegenüber 47 Prozent für Schwarz-Gelb. Zwar äußerten die Befragten keine eindeutige Wechselstimmung – 42 Prozent befürworten eine SPD-geführte Landesregierung, 41 Prozent sähen lieber die CDU an der Macht –, aber auch das ist auch Sicht der SPD eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zum Anfang der Legislaturperiode.

Schwarz-Grün für Hannover?

In die Koalitionsoptionen spielt hinein, dass die AfD vermutlich in den Landtag einziehen wird, die NDR-Umfrage sieht sie bei sechs Prozent. Und dann wird es sogar für eine CDU-FDP-Koalition eng. Aber laut NDR-Umfrage hätten Union und Grüne gemeinsam eine Mehrheit. Nur: Passt das?

Nachdem sich Schwarze und Grüne – und die gelbe FDP – vor zwei Monaten in Schleswig-Holstein zur ersten Jamaika-Koalition im Norden zusammengetan haben, hält der Politikwissenschaftler Nils Bandelow von der TU Braunschweig diese Option auch in Niedersachsen für denkbar – zumindest inhaltlich. „Der große Streitpunkt in der Bildungspolitik ist durch die abgeschafften Studiengebühren gelöst“, sagt Bandelow. Andere in der Vergangenheit konfliktträchtige Themen wie die Atommüll- oder Tierschutzdiskussionen hält er für überbrückbar.

Stinksaure Grüne

Indes: Die Grünen sind stinksauer auf die CDU. „Es ist mehr als deutlich, dass die Zusammenarbeit mit der CDU aufgrund ihres Agierens für alle Mitglieder der Grünen in sehr, sehr weite Ferne gerückt ist“, sagt die niedersächsische Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz. Der „Verrat“ von Elke Twesten, den die CDU durch „ein unmoralisches Angebot“ forciert haben soll, wie Twesten gegenüber ihren früheren grünen KollegInnen äußerte, erhitzt noch immer die Gemüter in der Partei. Das wollen die Grünen nun auch noch mal in ihrem Wahlprogramm deutlich machen: Darin soll eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten ausgeschlossen werden.

Sollte es dann wegen des Einzugs der AfD in den Landtag weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb eine Mehrheit geben, liefe wohl alles auf eine große Koalition hinaus. SPD und CDU „wären inhaltlich recht nah beieinander“, sagt der Politikwissenschaftler Bandelow. Allerdings schießt die CDU derzeit aus vollen Rohren gegen die SPD: Seit der Debatte um die mit VW abgestimmte Regierungserklärung fordern die Schwarzen den Rücktritt des Roten Stephan Weil – obwohl sie schon voriges Jahr davon wussten und damals nichts beanstandet hatten.

Auch wenn Weils CDU-Konkurrent Bernd Althusmann staatsmännisch davon spricht, dass die Union nun „zu Maß und Mitte“ zurückkehre: „Es begann als Schmutzwahlkampf“, sagt Bandelow, „und es wird wohl nicht besser.“ André Zuschlag