Braunkohle-Proteste

Das Bündnis „Ende Gelände“ ruft für die kommenden Wochen zu „massenhaftem zivilem Ungehorsam“ auf. Was genau steht an?

5 Freisprüche und viele Einstellungen

Nachspiel Fast 600 Verfahren hat die Staatsanwaltschaft nach der Tagebau-Besetzung im Jahr 2015 begonnen. Verurteilt wurde bisher niemand

Das rechtliche Risiko für die AktivistInnen ist in diesem Jahr möglicherweise höher, weil RWE das Betriebsgelände gerade einfriedet

BERLIN taz | Nachdem im August 2015 etwa 1.000 Menschen in den Tagebau Garzweiler eingedrungen waren und damit Bagger und Förderbänder zum Stillstand gebracht hatten, leitete die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach insgesamt 578 Ermittlungsverfahren ein. Doch zu Verurteilungen ist es bis heute nicht gekommen.

Wie das nordrhein-westfälische Innenministerium in einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Guido van den Berg mitteilt, richteten sich 355 Verfahren gegen unbekannt, weil die Festgenommenen nicht identifiziert werden konnten. Von den verbleibenden 223 Verfahren wurden 54 noch vor Anklageerhebung wieder eingestellt – überwiegend weil nicht genug Anlass zu einer Anklage bestand, teilweise aber auch wegen geringer Schuld, fehlerhafter Personalien oder anderer Verfahrenshindernisse. Weitere 18 Verfahren ­wurden nach Anklageerhebung eingestellt, teilweise unter ­Auflagen.

Von den verbleibenden 151 Verfahren sind bisher acht vor Gericht verhandelt worden – sieben wegen Hausfriedensbruch und eines wegen Landfriedensbruch. Alle endeten mit einem Freispruch. Den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs sah das Gericht in den bisherigen Fällen nicht als gegeben an, weil das Betriebsgelände von RWE nicht klar genug „eingefriedet“ war, also nicht durch Zäune oder Wälle markiert.

Das ändert das Unternehmen gerade, so dass Urteile nach den bevorstehenden Protesten anders ausfallen könnten. Auch aus einem anderen Grund ist das rechtliche Risiko für die ­AktivistInnen in diesem Jahr möglicherweise höher: Im April hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das „tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte“ als neuen Straftatbestand einführt. Die Mindeststrafe dafür beträgt drei Monate Haft. Bisher waren solche Angriffe nur strafbar, wenn sie im Rahmen von Festnahmen erfolgten.

Praktische Erfahrungen mit dem Gesetz gibt es noch nicht. Viele Experten warnen jedoch, dass schon ein einfaches Schubsen, wie es etwa beim ansonsten friedlichen Durchbrechen einer Polizeikette vorkommt, als „tätlicher Angriff“ gewertet werden kann. Malte Kreutzfeldt