Erdoğan könnte bald Konkurrenz bekommen

TürkeiPartei rechts von der Mitte soll gegründet werden. Sie könnte auf 20 Prozent kommen

Die Partei will den Ultranationalisten Wähler abspenstig machen

BERLIN taz | In der Türkei entsteht eine neue politische Konkurrenz für Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AK-Partei. Meral Akşener, zukünftige Vorsitzende einer neuen Partei, hat angekündigt, im Oktober mit der Merkez Demokrat Parti (Zentrale Demokratie Partei) an den Start zu gehen. Meral Akşener ist ein bekanntes Gesicht in der türkischen Polit-Szene und die Demoskopen geben ihrer neuen Partei gute Chancen, bei zukünftigen Wahlen bis zu 20 Prozent zu erreichen und vor allem der AKP herbe Verluste beizubringen.

Die neue Partei wird rechts von der Mitte angesiedelt sein und will vor allem der AKP und der ultranationalistischen MHP Wähler abspenstig machen. Akşener war bis Ende letztes Jahres noch Mitglied der MHP und führte dort die innerparteiliche Opposition gegen den langjährigen Parteichef Devlet Bahçeli an. Mehrere Anläufe von ihr auf einem regulären Parteikongress der MHP als Kandidatin für den Parteivorsitz anzutreten, wurden von Gerichten verhindert, die auf Antrag von Bahçeli jedes Mal aus formalen Gründen das Zustandekommen eines Wahlparteitags verhinderten.

Akşener und eine ganze Gruppe von weiteren parteiinternen Opponenten Bahçelis wurden am Ende aus der MHP ausgeschlossen. Dabei hatten Meinungsforschungsinstitute schon vor gut einem Jahr prognostiziert, dass die MHP unter der Führung von Akşener ihren Stimmanteil von 12 Prozent auf das doppelte erhöhen könnte. Viele langjährige MHP-Wähler sind mit dem opportunistischen Kurs von Bahçeli gegenüber Erdoğan völlig unzufrieden und lehnen vor allem auch die Hilfe Bahçelis für Erdoğans Präsidialsystem vehement ab.

Akşener war in den 90er Jahren schon einmal Ministerin und zwar Innenministerin unter Tansu Çiller. Sie hat damals als Innenministerin einen harten repressiven Kurs vor allem gegen Kurden verfolgt und ist auch heute keine Liberale. Aber Meral Akşener ist eine erklärte Anhängerin der säkularen Republik und lehnt Erdoğans neues autoritär-islamistisches Präsidialsystem vehement ab.

Sollte die Gründung der neuen Partei nicht wie zuvor die Kandidatur Akşeners gegen Bahçeli durch juristische Tricks verhindert werden, könnte sie zu einem Sammelbecken für alle nationalistischen Republikaner werden, die von der MHP enttäuscht sind, aber auch für alle AKP-Wähler, die Erdoğan bislang vor allem wegen seiner wirtschaftlichen Erfolge gewählt haben, den islamistischen Umbau der Türkei aber ablehnen. Selbst alte Kemalisten, denen die sozialdemokratisch-kemalistische CHP unter Kemal Kılıçdaroğlu zu links geworden ist, könnten sich Akşener zuwenden. Jürgen Gottschlich