Frankreich
: Was Sache ist

Die Stimme aus dem Ausland

von Johanna Luyssen

Deutschland-Korrespondentin der Libération, Paris

In Frankreich sind Wahlplakate meist eine Zumutung: unterirdische Farben, lächerliche Fotos, bemüht reißerische Slogans, die dem Lauf der Welt stets mit 15 Jahren Verspätung hinterherhecheln. Bloß kein Risiko – man will ja gefallen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Frühling gab es dazu noch einen wenig überraschenden gemeinsamen Plakatnenner, voilà: LA FRANCE. Benoît Hamon von den Sozialisten versprach, „das Herz von Frankreich zum Schlagen zu bringen“; die ultrarechte Marine Le Pen drohte „mit der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse“, und Emmanuel Macron versicherte pflichtschuldig, dass „Frankreich eine Chance für alle sein muss“.


Als ich kürzlich in Berlin ankam, fand ich die hiesigen Wahlplakate schlecht und bieder. Ich habe mich inzwischen aber anders besonnen: Zumindest ist auf ihnen alles enthalten, was ich glaube über diesen Wahlkampf zu wissen. Die Absichten sind kristallklar, die Transparenz ist total – was draufsteht, ist auch drin bei den Parteien. Angela Merkel preist uns ein Deutschland an, „in dem wir gut und gerne leben“, ähnlich der „ruhigen Kraft“ von François Mitterand 1981 – ich schließe dar­aus, dass sie mir Sicherheit und Frieden verspricht, aber auch ordentlich Langeweile; die SPD hat es mit der Familienpolitik, mit der Rente und sogar mit der Lohnschere, allerdings völlig leidenschaftslos und mit linkischen, ja absurden Fotos. Wie das von einem jungen Mann, der mit träumerischem Blick neben einem Roboter auf einer Bank posiert.



Die FDP setzt sich ab, indem sie auf Neonfarben und Schwarzweißfotos von Christian Lindner zurückgreift, ganz so, als sei der Kerl zu haben, inklusive Handy in der Hand und natürlich „digital first“ – verstanden: Hier geht’s, in einem Bild verdichtet, um den einst so elektrisierenden, durchschlagenden Macron’schen Erfolg. Die Grünen erzählen mir was von Kohle und Klima. Und unterstreichen – hatte ich mir fast gedacht –, dass eine kranke Erde die Leute nicht glücklich macht; die Linke versucht es mit gewagter, doch gescheiterter grafischer Gestaltung und sagt mir, dass die Reichen besteuert werden müssen … Ach ja, die AfD: Sie bleibt ihrem rassistisch gefärbten Programm treu – gegen Flüchtlinge und Islam, gegen Europa und Schwule und das mit Bildschirmschonerbildern im Windows-Stil: Sonnenuntergänge am Strand mit Kernfamilie.


Letztlich tönen diese Plakate genau von dem, was im Wahlkampf Sache ist. Sie wiederholen schlicht die politischen Debatten hierzulande – und sie sind allemal eingängiger als die hohlen Slogans, die die Straßen meines Landes im Frühjahr fluteten.


Übersetzung: Harriet Wolff