berliner szenen
: Erste Hilfe an der Bushaltestelle

Auf meinen Bus wartend, stehe ich an der Bushaltestelle, als eine kleine Frau beim Anblick ihres Busses ­losrennt, dabei ins Stolpern gerät und schließlich der Länge nach hinfällt. Ich renne zu ihr. Als ich ihr meine Hände entgegenstrecke, um ihr beim Aufrichten zu helfen, wimmert sie: „Kann nicht. Schlecht und mein Knie …“

Sie stöhnt vor Schmerzen. Drei weitere Frauen und ein Mann eilen herbei. Zu fünft tragen wir die Gestürzte vorsichtig auf eine Bank.

Ich frage sie, wo es ihr wehtut. Sie schluchzt nur. Nach ein paar Minuten beruhigt sie sich etwas, holt ihr Handy aus ihrer Tasche, wählt eine Nummer und reicht mir das Telefon mit den Worten: „Chefin! Bitte.“

Ich merke: Sie spricht kaum Deutsch. Unter der gewählten Nummer antwortet eine freundlich klingende Frau. Ich weiß erst nicht, was ich sagen soll. Dann versuche ich es: „Ich habe hier das Handy einer ihrer Mitarbeiterinnen. Sie ist gestürzt und nicht ganz bei Bewusstsein und wird es wohl nicht pünktlich zur Arbeit schaffen.“

Die Chefin reagiert gelassen und meint, die Frau solle den Tag zu Hause bleiben und sich erst einmal erholen. Ich richte es ihr aus. Sie beginnt zu weinen. Der dazugeeilte Mann meint: „Sie steht unter Schock. Am besten, wir rufen einen Krankenwagen.“

Bis der eintrifft, warten wir alle gemeinsam. Niemand sieht unterdessen auf die Uhr. Eine der Frauen redet be­ruhigend auf die Gestürzte ein, eine andere streicht ihr sanft über den Rücken, der Mann gibt der Frau etwas zu trinken.

Die eintreffende Sanitäterin untersucht die Frau erst einmal in Ruhe. Dann meint sie: „Keine Auffälligkeiten. Wir nehmen sie aber zur Sicherheit erst einmal mit.“

Nachdenklich fügt sie dann hinzu: „Wie unterschiedlich Hilfsbereitschaft doch ausfällt. Entweder alle gehen vorbei, oder es helfen gleich fünf.“ Eva-Lena Lörzer