Rauchzeichen für Deniz Yücel

150 Menschen qualmten aus Solidarität mit dem in der Türkei inhaftierten Journalisten

Von Raphael Piotrowski

Bei unbeteiligten Passanten sorgte es für Verwunderung, als sich am Dienstagabend pünktlich um 18 Uhr der Bürgersteig vor dem taz-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße füllte. Eine Kaperung der taz durch Tabaklobbyisten? Denn eines fiel schnell ins Auge: So gut wie jeder Anwesende hatte einen Glimmstängel zwischen den Lippen oder Fingern klemmen. Ein am Rande Stehender klassifizierte es als „politisches Rauchen“.

Was obskur klingt, hatte einen ernsten Hintergrund: Geraucht wurde aus Solidarität und als Protest. Aus Solidarität mit dem ehemaligen taz- und heutigen Welt-Redakteur und passionierten Raucher Deniz Yücel. Als Protest gegen seine fortdauernde Haft in der Türkei.

Aufgerufen zu dem qualmenden Protest hatte die Titelseitenrubrik verboten, für die Deniz in seiner Zeit bei der taz des Öfteren und gerne kurze und bisweilen bissige Texte verfasste.

Auf den Tag genau vor neun Monaten wurde Deniz Yücel, damals als Türkei-Korrespondent der Welt tätig, festgenommen, nachdem er sich freiwillig einer Anhörung durch türkische Behörden stellte. Seither sitzt er isoliert in Untersuchungshaft und wartet auf sein Verfahren. Bis dato wurde nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben. In einem taz-Interview am Wochenende forderte er unlängst einen baldigen und fairen Prozess.

Und so wurde gequalmt, was die Lungen hergaben – aus etwa 150 Mündern quoll der blaue Dunst. Selbst Nichtraucher wie taz-Chefredakteur Georg ­Löwisch konnten nicht die Finger von der Fluppe lassen. Doch Löwisch beteuert: „Deniz weiß, dass ich immer schon entschieden für den Nichtraucherschutz eingetreten bin.“

Ein Umstehender befand seine sechste Solidaritäts-Zigarette als „ziemlich angenehm. Besser als sonst – irgendwie bedeutsamer“.

Auch vor dem Spiegel-Redaktionsgebäude in Hamburg qualmten Kollegen solidarisch für Deniz Yücel. In seiner Heimatstadt Flörsheim gab es eine Mahnwache mit dem Bürgermeister. Der Hashtag #RauchenfuerDeniz stand kurzzeitig auf Platz 1 der Trends bei Twitter.

Ist das alles nicht total gaga, verbotener Quatsch? „Doch, das ist es! Mindestens genauso gaga, wie die andauernde und unbegründete Haft unseres Freundes Deniz!“, so taz-Redakteur Gereon Asmuth in seiner, durch ständiges Inhalieren unterbrochenen Rede.