Esther Slevogt
betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen
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Überall springen uns im öffentlichen Raum übersexualisierte Körper an. Die Porno­industrie hat mit den von ihr verbreiteten Praktiken und Körperbildern längst auch das private Liebesleben der Menschen überformt. Hier setzen viele Arbeiten der 1980 geborenen dänischen Choreografin Mette Ingvartsen an, ihre berühmte Arbeit „to come“ von 2005 zum Beispiel, in der Tänzer*innen in hellblauen Ganzkörperüberzügen unterschiedlichste Sexstellungen durchexerzierten, was ebenso kunstvoll wie entsetzlich und manchmal in seiner Automatenhaftigkeit auch ziemlich komisch war. Über viele Jahre lang waren Ingvartsens Arbeiten im HAU zu sehen. Nun sind sie Programm der Dercon-Volksbühne und kommen dort nun als „Red Pieces: 21 pornographies“ heraus: ein Marathon über die Formatierung des privaten Körpers durch allgegenwärtige mediale Körperinszenierungen, angefangen mit bekannten Arbeiten wie eben „to come“ bis hin zu einer Neuproduktion. Dauer: fünf Stunden. Altersbeschränkung: 18 Jahre (Volksbühne, 13.-16. 12., jeweils 19 Uhr).

Ziemlich körperlich ist aktuell auch das Programm der Sophiensæle, wo eine neue Arbeit von Siegmar Zacharias auf dem Spielplan steht. Siegmar Zacharias ist eine interdisziplinäre Künstlerin und Theoretikerin, die mit „Slime Dynamics“ offenbar jedoch ziemlich praktisch wird: „Feucht, fließend, glitschig“ heißt es in der Ankündigung dieses Abends, der „mit zweihundert Litern Kunstschleim und drei Frauenkörpern den Raum zwischen Form und Formlosigkeit, Sprechen und Auslaufen, Intimität und Ekel“ erkunden will. Untersucht werden soll unter anderem: „Wie empfinden und denken wir in einer instabilen, fließenden Welt? Einer Welt, in der die Grenze zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Körpern verschwimmt, zwischen Bekanntem und Fremdem?“ (Sophiensæle: „Slime Dynamics“, 7., 8., 9. & 10. 12. , jeweils 20 Uhr).

Der Theaterdiscounter zeigt diese Woche eine neue Arbeit des Kollektivs Internil, die sich mit der Unmöglichkeit auseinandersetzt, eine Sprache zu finden, mit der sich über den Nahostkonflikt kommunizieren lässt. Die Spezialität von Internil sind abgründige medienbasierte Theaterabende, denen politische Internetpropaganda zu Grunde liegt. „Die Unmöglichkeit sich in diesem binären Konflikt neutral zu verhalten führt dazu, dass jedes Wort sich noch auf der Zunge in Propaganda verwandelt“, lautet die These von „Gog und Magog“, wie der aktuelle Abend überschrieben ist (Theaterdiscounter: „Gog und Magog 3: Israel. Eine Desinformationskampagne“, 7., 8., & 9. 12, jeweils 20 Uhr).