Martin Reichert
Herbstzeitlos
: Schounefäld, Boarding Completed

Foto: Wolfgang Borrs

Berlin, deine Flughäfen! Jeder für sich eine Legende: Der Nazi-Zentralflughafen Tempelhof, Nachkriegs-Nabelschnur, auf dessen Start- und Landebahn die Einheimischen nun Rollerblades fahren – neulich war Tag der offenen Tür und die ganze Stadt war auf den Beinen, um noch einmal durch die alte Abflughalle mit dem (Singular!) Gepäckband gehen zu können.

Dann der nicht vergehen wollende Flughafen Tegel, Tor zur Freiheit, von den einen (weit genug entfernten) Berlinern geliebt, von den anderen (anwohnenden) gehasst. Und natürlich „Willy Brandt“, der Geisterflughafen, der es nicht vermag, sich aus seinem Milliardenloch zu erheben, und nachts unheimlich im märkischen Sand vor sich hin leuchtet. THF, TXL, BER sind in aller Munde – und alle scheinen zu vergessen, dass es doch auch einen völlig unproblematischen Flughafen gibt. Mit S-Bahn-Anbindung.

SXF, Berlin-Schönefeld. Flughafen der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und immer schon Weltniveau. Es ist zum Beispiel der einzige Flughafen der Welt, bei dem man, um in den Abflugbereich zu gelangen, durch eine Burger-King-Filiale gehen muss – und direkt im Anschluss durch einen Irish Pub. Und das ist auch gut und richtig so, denn hier verkehrt der wahre Berliner Jet-Set, der Easy-Jet-Set. Party-People aller Länder statt Lufthansa-Business-Class, und alle hier abfahrenden Busse enden in Neukölln.

Es gibt einen funktionierenden Brandschutz, in der Haupthalle kann man ihn sogar sehen und anfassen, Brandschutzschrottwände, die bei Bedarf heruntergefahren werden können. Immer ist Bewegung in SXF. Ungefähr dort, wo neulich eine Frittenbude abgebrannt ist, wurde nun ein kleiner Container für „Kamps“ errichtet – und gleich gegenüber gibt es eine riesige hölzerne Ski-Hütte, in der man bayerische Spezialitäten ordern kann, Germany ist Germany.

Überhaupt ist er schön, der Flughafen. Das Hauptgebäude mit seiner goldrot schimmernden Sonnenbrillenverglasung, wie sie auch schon den Palast der Republik (weg) und das Palasthotel (auch weg) zierte, macht Lust auf Belgrad. Und dann erst, wie schon angedeutet, die vielen Container und Anbauten: Nur böse Zungen würden angesichts all des Wellblechs von einer High-Tech-Favela sprechen, Luftfahrtkenner hingegen zischen anerkennend: „Hugo Junkers!“ Wenn auch tatsächlich eher Flugzeuge von Henschel an diesem Standort produziert wurden, am Stabsgebäude des alten Flugzeugwerks rollt man heute vorbei in Richtung Startbahn.

Die Fünftage-vorschau

Fr., 19. 1.

Peter Weissen­burger

Eier

Mo., 22. 1.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 23. 1.

Doris Akrap

So nicht

Mi., 24. 1.

Adrian Schulz

Jung und dumm

Do., 25. 1.

Jürn Kruse

Nach Geburt

kolumne@taz.de

Von SXF aus hat man auch einen guten Blick auf den zukünftigen BER, ist ja gleich nebenan. Aber ob es dort je so schön werden kann wie in SXF? Wird es „Rollbrot“ geben von Marché? Kaffeespezialitäten, die teurer sind als ein Flug nach London? Der einzige Trost ist, dass sie an den neuen, so hört man, auch Container anbauen wollen, weil die Kapazität nicht ausreicht. Juhu!